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Predigten im Jugendgottesdienst: Die Religion ist das Opium des Volkes

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Predigt „Die Religion ist das Opium des Volkes“

Gehalten von Jakob Hellwig auf einer Teamerfreizeit:

'Karl Marx', 1875

Jugendgottesdienst, Thema: Opium fürs Volk. „Gut“, dachte ich mir. „Da bin ich ja mal auf die Predigt gespannt. Ich spiele halt Gitarre, vielleicht halte ich auch die Lesung, ma sehn.“ Plötzlich die Stimme meiner Schwester. „Zu dem Thema sollte der Jakob mal predigen, das passt!“ Schock! Na gut, die Katharina hat das jetzt schon einige Male gemacht, jetzt bin ich halt mal dran. Ich will also letzte Woche die Predigt vorbereiten. Aber wie predigt man denn im christlichen Sinne über eine Toten Hosen CD? Okay, darauf geht es auch um religiöse Themen: Das Vater Unser kommt vor, auch die zehn Gebote… Ich schmeiße also den Computer an und tippe bei Wikipedia „Opium fürs Volk“ ein: Opium fürs Volk ist ein 1996 erschienenes Album der Düsseldorfer Punkrockband Die Toten Hosen. Bis heute ist es das meistverkaufte Album der Band.

Das wusste ich auch, immerhin steht die CD auch bei mir im Regal. Doch weiter unten: Der Titel des Albums ist ein Ausspruch Lenins ("Die Religion ist Opium fürs Volk"). Dieser ist angelehnt an ein Zitat von Karl Marx ("Die Religion ist das Opium des Volkes")

„Die Religion ist das Opium des Volkes“… hat Marx also gesagt. Glaube wird also mit einer Droge verglichen. Was Opium fürs Volk sein soll, hat der Titel ja gar nicht ausgesagt.
Ob das automatisch als Kritik gewertet wird, liegt wohl an der Einstellung des Betrachters gegenüber Drogen. Der alte Marx benutzte diesen Vergleich jedoch 100%ig, um seine negative Einstellung gegenüber Religion zum Ausdruck zu bringen. Aber warum ist Religion für ihn Opium fürs Volk und nicht etwa Ecstasy fürs Volk, mal abgesehen davon, dass diese Droge zu Marx’ Lebzeiten weniger verbreitet war??
Opium wirkt anfangs angst- und schmerzlindernd oder gar euphorisierend. Nach dem anfänglichen Hochgefühl folgt dann eine Phase der Inneren Ruhe und Zufriedenheit. Habe ich im Internet herausgefunden, nicht im Selbstversuch. Klingt doch eigentlich durchweg positiv, warum machen das nicht alle? Weil das halt nur die Wirkungen sind, wenn man Glück hat. Der Konsum von Opiaten kann genauso gut zu Depressionen, Unruhe oder auch Impotenz führen. Darüber hinaus ist die Gefahr des körperlich abhängig Werdens bei Opium sehr hoch.

Marx spielt mit seiner Kritik vor allem auf die erstgenannten Wirkungen an. Mit Religion und Gottesglaube wird die unterdrückte Arbeiterklasse, das Volk, ruhig gehalten und gefügig gemacht, um es zu kontrollieren. Sie hat einen betäubenden, einschläfernden Einfluss. Und damit ist nicht die einschläfernde Wirkung des Glaubens im Reli-oder Konfiunterricht gemeint. Religion gab den Arbeitern das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit trotz ihrer widrigen Lebensumstände. Eine Wirkung, die auch Opium hat, nur dass das viel zu teuer für die untere Schicht war. So wurde sie also mit Glaube bei der Stange gehalten. Die Religion stand einer Revolution durch das Proletariat im Wege. Deshalb also Marx’ Kritik…

Aber funktioniert der Vergleich zwischen Droge und Glaube? Einige Gemeinsamkeiten treten schon auf:

  • beides kann süchtig machen, wenn man einmal damit angefangen hat
  • beides wird manchmal aus einer Art Gruppenzwang heraus probiert
  • beides kann einem das Gefühl von Sicherheit geben

Religion hat allerdings schlagkräftige Argumente, warum sie die geeignetere Variante ist. Religion macht nicht impotent, führt nicht zu Kreislaufproblemen oder zu Depressionen. Und überhaupt, Glaube hat noch niemanden umgebracht. Hat Glaube noch nie jemanden umgebracht? Naja, da fallen einem doch erstmal die Kreuzzüge ein. Aber das zählt nicht, das ist tausend Jahre her. Die Inquisition ist auch nicht gerade aktuell. Aber auch heute gibt es Morde mit Glaube als Motivation, Stichwort „Bedrohung durch den Islam“. Wobei es auch genauso fundamentalistische Christen gibt.
Da kommen wir also zu einer weiteren Gemeinsamkeit: Es kommt auch auf Dosierung an…
Welche da die Richtige ist, muss jeder für sich herausfinden, im Falle der Religion. Da kann man nicht zum Arzt gehen und sagen: „Herr Doktor, ich würde gerne an Gott glauben. Wie doll soll ich das denn machen, damit ich da Spaß dran habe und es mir gut tut?“
Jeder Mensch ist da anders. Wie man glauben muss, dass es einen erfüllt oder Spaß macht, bekommt man auf die Dauer leicht heraus. Das Konfirmandenjahr, an dessen Anfang einige von euch momentan stehen, ist ein guter Einstieg auf den Weg zum Glauben. Es gibt einem Orientierung. Danach hat man einen gewissen Überblick, in welche Richtung es gehen soll. Manche werden aktiv in der Gemeinde arbeiten. Andere werden nur passiv teilnehmen an Angeboten und wieder andere werden danach sagen: „Nee, das ist nichts für mich!“ Wie nach der ersten Zigarette. Zum Glück steht einem offen, jederzeit zurück zu kehren.

Um mal auf Marx Spruch zurückzukommen, ich finde, dass der Vergleich aus einem einfachen Grund wackelt. Opium täuscht einem die Geborgenheit vor, die in einer Gemeinde tatsächlich stattfindet, oder zumindest stattfinden kann. Wo Opium den Konsumenten mit Tagträumen umnebelt und damit verschließt, sorgt das Gemeinschaftliche Wohlbefinden im Rahmen einer Glaubensgruppe dazu, dass aktiv anderen geholfen wird, man für andere da ist. Also das Gegenteil von „sich verschließen“ oder in der „eigenen Welt leben“. Religion führt zu Engagement. Beispiele dafür gibt es genug. Ob das jetzt diakonische Hilfswerke sind oder eine Gruppe von 15 Personen, die regelmäßig einen Jugendgottesdienst organisiert, um jungen Leuten Orientierung auf ihrem Weg zum Glauben zu geben. Religion ist etwas, mit dem man sein Leben bewältigen kann und dabei anderen noch hilft. Nichts um aus der Wirklichkeit zu entfliehen. Er macht also eher wach und aufmerksam… Es sollte heißen: „Reli. ist Kaffee fürs“ Volk…

Das Bild 'Karl Marx', 1875 gehört zum public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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