Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten im Jugendgottesdienst: Wunder gibt es immer wieder

« Predigten Home

Predigt „Wunder gibt es immer wieder“

Gehalten von Gabriele Moog am 22. August 2008 im Kirchsaal Süd:

'Die Auferstehung', Matthias Grünewald


Und – glaubt Ihr an Wunder?
Glaubst Du an Wunder?
Du? Und Du?


Was ist das überhaupt: ein Wunder?
Ist es das, was Nena singt?
Nicht nur an das glauben, was wir seh’n?
Sind das Dinge, die wir nicht erklären können?
Am Ende sogar durchbrochene Naturgesetze?


Der Begriff Wunder wird jedenfalls oft auf Vorgänge beschränkt, die nicht wissenschaftlich zu erklären sind. Und je mehr Wissenschaft erklären kann, desto weniger Wunder gibt es logischerweise. Wunder und Gott brauchen wir heute also nur noch für die wenigen Fälle, die wir naturwissenschaftlich immer noch nicht lösen können.
In einer von der Wissenschaft voll erklärbaren Welt wäre dann letztlich kein Platz mehr
für Wunder und für Gott.
Oder?

Nochmal: Glaubt Ihr an Wunder?


Andere tun es.
Eine große Tageszeitung hat vor zwei Jahren ebenfalls danach gefragt.
Und die erstaunliche Antwort bekommen, dass immerhin 56 Prozent aller Deutschen an Wunder glauben – über alle Altersstufen hinweg.
Hier in Westdeutschland sind es sogar 59 Prozent.
Von zehn Leuten glauben also sechs an Wunder.
Statistisch gesehen auch hier – in diesem Raum.


Wer die Frage bejaht, ist also immerhin in der Mehrheit.
Hättet Ihr das gedacht?
Im Jahr 2000 kam bei der gleichen Umfrage noch etwas Anderes heraus:
Da waren es nur 29 Prozent, die zugeben mochten, dass sie an Wunder glauben.


Übrigens wollen nicht wenige der Befragten heutzutage sogar schon selbst Wunder erlebt haben,
zum Beispiel eine Gefahr gespürt haben, bevor etwas passiert ist, oder mit einer Person in Verbindung gestanden zu haben, die gar nicht am gleichen Ort war.

Was ist das?

Auch die Bibel steckt voller Geschichten über Wunder. Im Alten und im Neuen Testament:

  • Da zieht ein ganzes Volk auf der Flucht durch das Rote Meer, das just im richtigen Moment ausgetrocknet ist und – wieder genau richtig – anschließend die Verfolger im wiederkehrenden Wasser ertränkt.
  • Moses schlägt in der Wüste an einen Felsen und Wasser sprudelt hervor.
  • Im neuen Testament wird Wasser in Wein verwandelt.
  • Jesus schafft es, mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen fünftausend Männer mit ihren Frauen und Kindern satt zu machen.
  • Menschen können übers Wasser gehen,
  • unheilbar Kranke werden geheilt,
  • sogar Tote auferweckt.
  • In der Lesung haben wir von einem Taubstummen erfahren, der geheilt wurde.

Und immer wieder werden Zeugen benannt, die mit ihrem Namen dafür bürgen sollen, dass sich alles ganz genau so abgespielt hat.
Auch in der Geschichte aus dem Markusevangelium wird bis ins Detail berichtet, wie die Heilung des Taubstummen vor sich ging.
Es klingt wie Magie.

Sollen wir das glauben?
Einfach so oder erst nach Erklärung?
Menschen haben immer wieder versucht, die Wundergeschichten „auf natürliche Weise“ zu erklären.

Zum Beispiel der Durchzug durch das Rote Meer:
Er lässt sich auch so erklären, dass ein heißer Ostwind aus der Wüste einen Wasserarm trockengelegt hatte.
Während die Israeliten hindurchzogen, schlug das Wetter um und ein Seewind brachte feuchte Meeresluft, in den Bergen begann es zu regnen. Dadurch lief der Wasserarm rasch wieder voll und begrub die Ägypter unter sich.

So gesehen bleibt von dem vermeintlichen Wunder nicht viel übrig.
Es ist eben erklärbar.

Oder? Für Israel ist es doch im Grunde doch egal,
ob das Ereignis naturwissenschaftlich erklärbar ist oder nicht.
Wichtig ist, dass es genau dann eintrat, als Israel es brauchte.
Für die Israeliten hatte Gott hier seine "Finger im Spiel“.

Ein erstes Zwischenergebnis kann also lauten:
Nur weil etwas naturgesetzlich erklärbar ist, muss das nicht heißen, dass Gott keine Rolle spielt.

Und überhaupt:
Könnte es sein, dass schon meine ursprüngliche Frage falsch gestellt war?
Steht unser moderner Blick uns vielleicht schon längst zu sehr im Weg?
Möglicherweise geht es bei den Wundergeschichten um etwas ganz anderes als wissenschaftliche Erklärbarkeit.

Was nämlich ist allen Wundergeschichten der Bibel gemeinsam?
Sie weisen auf Gott hin!
Und der ist kein ferner, jenseitiger Gott.
Kein Geist für das nächste Leben, fernab der Erde, im Himmel.
Dieser Gott wirkt hier bei uns, in dieser Welt.
Und er schert sich nicht darum, ob die Menschen erklären können, wie er wirkt.

Wenn wir die biblischen Wundergeschichten so lesen, sagen sie alle viel mehr aus, als dass tatsächlich ein Wunder eingetreten ist.
Sie bezeugen keine magischen Praktiken, sondern das Wirken Gottes.

Deshalb legen die Verfasser der biblischen Texte auch so viel Wert darauf, Augenzeugen zu nennen.
Gott wirkt bei uns Menschen, in Jesus ist er sogar ganz zu uns gekommen
– als einer von uns.
Hier wirkt etwas Besonderes, doch es wirkt schon jetzt und hier.
Das, was Gott uns gibt, kommt nicht später irgendwann. Es ist jetzt schon da.
Man kann davon etwas sehen und spüren.
Zum Beispiel, wenn etwas Unerklärliches passiert.
Vielleicht aber auch nur, wenn etwas „Wunderbares“ passiert.


Die Sängerin Nena hat übrigens das Lied, das wir vorhin gehört haben, geschrieben, nachdem sie eine Fehlgeburt hatte und dann doch noch einmal schwanger geworden ist.
Nach all’ dem Schlimmen, das sie erlitten hat, konnte sie ein gesundes Kind bekommen.
Ihre Ärzte hatten das längst bezweifelt.

Die Geburt eines gesunden Kindes ist nun wirklich alles andere als unerklärlich.
Wir wissen sehr genau, was da vor sich geht.
Wir können sogar Bilder davon machen, wie das Kind in der Mutter heranwächst.
Es ist im Grunde alltäglich geworden: Alle unsere Eltern haben es erlebt!

Aber für Nena war es ein großes, besonderes Wunder, dass sie Mutter geworden ist.

Es gibt eben nicht nur die großen biblischen Wunder.

Es gibt auch Wunder im Alltag.
Wunder, die gar nicht jedem auffallen.
Eine Blume, die sich zwischen zwei Steinplatten ans Licht kämpft.
Dass ein schwer kranker Mensch wieder gesund wird.
Freundschaften, die funktionieren, obwohl man sich gestritten hat.
Dass man sich verlieben kann.
Dass eine Gruppe Jugendlicher Donnerstag abend Lust hat, einen Gottesdienst zu besuchen.

Ist das weniger „wunderbar“?
Bloß, weil wir uns über so etwas schon lange nicht mehr „wundern“?

Ich denke nicht.

Ich habe mich entschieden, an Gott zu glauben.
Damit lasse ich zu, dass es in meinem Leben etwas gibt, dass ich nicht bis ins letzte Detail erklären kann.
Warum sollte ich dann nicht auch die Welt als Gottes Schöpfung wertschätzen?

Ich glaube, dass Jesus Gottes Sohn ist und dass er auferstanden ist.
Mir ist völlig egal, ob man das naturgesetzlich erklären kann.
Es geht mir wie den Israeliten im Roten Meer: Ich glaube, dass Gott in meinem Leben wirkt.
Hier und jetzt. Im richtigen Moment.
Wie er das im einzelnen anstellt, ist letztlich gar nicht meine Frage.

Gott steht für mich hinter allem, dem Gewöhnlichen und dem Außergewöhnlichen.

Zum Schluss noch einmal die Frage an jeden hier:
Glaubt Ihr an Wunder?

Ich jedenfalls schon.

Das Kunstwerk 'Die Auferstehung', Matthias Grünewald, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

^ Zum Seitenanfang