Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Predigten im Jugendgottesdienst: Ostern – der Tod ist tot

« Predigten Home

Lamm Gottes

Ostern

Ostern – der Tod ist tot 1. Tim. 1, 12 – 17

Predigt gehalten von Bianca Mubiiki-Hörig am 13. März 2008

OSTERN – in zehn Tagen feiern wir also Ostern. Fein! Aber was feiern wir denn da eigentlich genau? Laut einer Forsa-Umfrage (großes Markt- und Meinungsforschungsinstitut) wissen 50 % aller Deutschen nicht genau, was an Ostern und Karfreitag geschah. Jeder fünfte glaubt, dass an beiden Tagen an die Kreuzigung Jesu erinnert wird, 12 % wissen gar nicht, was wir da feiern.

Und was fällt uns denn alles zu Ostern ein?

  • Ostereier suchen, die der Osterhase versteckt hat
  • leckeres Essen, Schokolade,
  • Ferien,
  • Frühling

Was der Hase mit Ostern zu tun hat, ist eher ungewiss. Die Eier aber sind ganz klar ein Symbol für neues Leben und damit für die Auferstehung. Und auch wenn sich der Termin für Ostern nach dem jüdischen Passahfest richtet, so ist’s sicher kein Zufall, dass dies im Frühling stattfindet, wo – zumindest in unseren Breitengraden – die Natur aus ihrem Winterschlaf erwacht und alles zu wachsen und zu grünen beginnt. Wer es übrigens genau wissen will: Ostern findet immer am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang statt.

Soweit so gut, aber was hat das nun mit Jesus Christus zu tun? Und überhaupt, was ist eigentlich das wichtigste Fest der Christenheit? Weihnachten? Oder doch Ostern?

An Weihnachten feiern wir die Geburt von Jesus Christus – soweit ist alles klar. Das ist die schöne Geschichte mit Josef und der schwangeren Maria, die kein Hotelzimmer finden konnten und das Kind deshalb in einem Stall zur Welt kommen musste. Das ist uns altvertraut, darunter können wir uns was vorstellen. Aber mit Ostern ist das anders. Bis zur Kreuzigung am Karfreitag ist noch alles realistisch und nachvollziehbar. Aber ab Ostersonntag wird es dann schwierig. Da ist Jesus auferstanden von den Toten. Aha – und wie soll man sich das nun vorstellen, diese Auferstehung?

Aber mal ganz von vorne: Am kommenden Sonntag ist Palmsonntag. An ihm wird an den Einzug Jesu in Jerusalem gedacht, als er auf einem Esel in die Stadt ritt und mit Palmwedeln und Hosianna-Rufen (hebr. Hilf doch) und lautem Jubel vom Volk begrüßt wurde. Er kam nach Jerusalem, um dort mit seinen Jüngern gemeinsam das Passahfest zu feiern. Damit beginnt die sogenannte Karwoche. Sie ist die wichtigste Zeit in der seit Aschermittwoch dauernden Passionszeit.

Der darauffolgende Gründonnerstag – also heute in einer Woche – ist der Gedenktag an das letzte Abendmahl. Es war das Passahmahl und zugleich auch das letzte Mahl, das Jesus gemeinsam mit seinen Jüngern einnahm, einen Tag vor seinem Tod. Jesus forderte sie auf, von da an das Abendmahl gemeinsam zu feiern. Deshalb ist der Ursprung aller Abendmahlsfeiern – auch dessen, das wir nachher gemeinsam feiern werden – der Gründonnerstag. Die Bedeutung des Namens Gründonnerstag ist übrigens nicht ganz geklärt. Eine Theorie zum Beispiel besagt, dass er nicht von der Farbe Grün herstammt, sondern von dem alt-hochdeutschen Wort Grienen bzw. Greinen, das soviel heißt wie weinen oder klagen.

In dieser Nacht ging Jesus in den Garten Gethsemane, wo er in Todesangst betete. Er bat die Jünger, bei ihm zu bleiben und Wache zu halten, doch die hatten nichts Besseres zu tun, als zu schlafen. Selbst als Jesus sich beschwerte: Könnt Ihr nicht einmal eine Stunde wach bleiben?“, schliefen sie wieder ein und ließen ihren Freund allein. Schließlich wurde Jesus von Judas verraten und von den Römern verhaftet. Und was geschah? Die Jünger – sie alle hatten Jesus zuvor beim Abendmahl noch Treue geschworen – verließen ihn und flohen. Und noch bevor der Hahn krähte und der neue Tag begann, hatte ihn selbst Petrus – einer der treusten Jünger, den Jesus den Fels seiner Kirche nannte – dreimal verleugnet. Auf jede Nachfrage schwor er: „Ich kenne diesen Menschen nicht.“

Jesus war völlig allein und auf sich gestellt. Nichts mit Solidarität und Zusammenhalt. Jeder wollte nur seine eigene Haut retten. Aber doch war Jesus stark. Gerade in der Einsamkeit, in dem Verlassenwerden von seinen Freunden fühlte er sich nicht allein. Denn sein Vater, Gott, war bei ihm. Deshalb konnte er die Einsamkeit annehmen und aushalten. Deshalb hat er sogar in dieser schweren Situation noch die Kraft, Petrus, als der ihn so schmählich verleugnet, liebevoll anzuschauen und ihm zu vergeben. Und gerade dieser Blick war es, der Petrus wachrüttelte und ihn seine Schuld erkennen ließ. Er wurde später zu einem seiner größten und leidenschaftlichsten Anhänger, der beharrlich von der Auferstehung Jesu predigte.

Am Morgen des Karfreitags beschlossen die Hohenpriester, Jesus kreuzigen zu lassen, denn den jüdischen Geistlichen war Jesus ein Dorn im Auge. Sie hatten Angst um ihr Ansehen und ihre Macht und sie schafften es, Jesus der Gotteslästerung zu beschuldigen. Sie brachten ihn vor Pilatus, den römischen Statthalter, damit er ihn verurteilen sollte. Und erstaunlicherweise versuchte Pilatus sogar noch, die Situation zu retten und gab Jesus die Möglichkeit, sich zu rechtfertigen. Aber Jesus musste sich für nichts rechtfertigen, er hatte keine Schuld auf sich geladen und so blieb er stumm.

Nun war es üblich, jedes Jahr zum Passahfest einen Verbrecher zu begnadigen und Pilatus fragte das Volk, wen er denn freilassen sollte: Jesus oder Barabas, einen berüchtigten Verbrecher. Und die Menschen, die Jesus an Palmsonntag noch zugejubelt hatten, forderten nun seinen Tod. Also wurde er gefoltert und verhöhnt und schlussendlich gekreuzigt. Jesus starb einen Tod, der der erniedrigendste und abscheulichste Tod seiner Zeit war. Wenn man fragen würde, was mit einem Gekreuzigten geschieht, bis der Tod ihn erlöst, so würde man es sicher gar nicht hören wollen, so abscheulich und qualvoll ist es, auf diese Weise zu sterben. Jesus starb unter den Blicken der Zuschauer den Tod eines Verbrechers.

Für die Jünger Jesu war sein Tod eine herbe Enttäuschung. Sie fragten sich natürlich, wie Gott das zulassen konnte. Ihre Hoffnung auf den Messias war zerstört. Doch einen Sinn musste das alles ja haben. Jesus hatte immer Gewaltfreiheit gepredigt, er war barmherzig und ein Freund der Menschen. Er strebte nie nach weltlicher Macht und ließ sich am Ende gewaltlos und wehrlos festnehmen, foltern und schließlich töten. Das Kreuz hat also anscheinend alle Regeln der Gerechtigkeit außer Kraft gesetzt und alle Maßstäbe menschlichen Denkens und Fühlens aufgehoben. Das Kreuz Jesu hat alles menschliche Streben, aus eigener Kraft und nach eigenen Richtlinien ein gerechtes Leben zu führen „durchkreuzt“. Es kommt offensichtlich nicht auf unsere eigene Leistung an, sondern das Kreuz zeigt uns, dass einzig die Gnade Gottes wichtig ist. Alles was zählt, ist die bedingungslose Liebe Gottes, die er uns anbietet. Das Kreuz wird zu einem Symbol der Gnade und der Unabhängigkeit von allem Leistungsdruck und von aller Geltungssucht.

Aber: Wäre mit der Kreuzigung und dem Tod Jesu alles vorbei, würde die Geschichte hier enden, dann wäre in der Tat alles vorüber. Dann wäre Jesus „nur“ als Revolutionär einen Märtyrertod gestorben.

So ist es aber nicht: Die Geschichte geht weiter. Nachdem Jesus noch am Tag seines Todes begraben wurde – nach jüdischer Sitte musste das noch am gleichen Tag geschehen, da der kommende Tag der Sabbat war – wurde das Grab von römischen Soldaten streng bewacht, da sie Angst hatten, die Jünger könnten Jesu Leichnam stehlen. Nach dem Sabbat dann, noch im Morgengrauen des Sonntags, gingen einige Frauen zum Grab und fanden es leer vor. Es war tatsächlich leer, keine Leiche, und auch einen Raub konnten sie ausschließen, denn die römischen Wachen waren die ganze Zeit da gewesen und hatten ihren Job gut gemacht. Die Frauen schwankten zwischen Furcht und Freude und doch liefen sie weg vom Grab, um den Jüngern von den Neuigkeiten zu berichten. Und dann auf dem Weg begegnete ihnen Jesus persönlich. Nun war alles klar: Jesus war auferstanden von den Toten. Die Nachricht verbreitete sich schnell und Jesus zeigte sich nun auch seinen Jüngern. Zuerst war die Verwirrung groß, aber dann machte sich die Freude breit. Sie erkannten, dass die Sache doch nicht vergebens war, dass die Macht Gottes stärker ist als der Tod. Die Auferstehung ist eine fundamentale Erfahrung. Sie machte aus den ängstlichen und verschreckten Jüngern mutige Zeugen Jesu.

Im Johannesevangelium sagt Jesus einmal: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Unglaublich! „Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ Jesus sagt tatsächlich, dass die, die an ihn glauben und erkennen, wer dieser Mensch aus Nazaret wirklich ist, schon jetzt das Grab ihrer Angst, ihre Hemmungen und ihr Selbstmitleid überwunden haben und aus der Enge in die Weite, aus der Erstarrung in die Lebendigkeit aufbrechen können.

Das heiß ja im Umkehrschluss, dass es Menschen gibt, die leben und doch tot sind, die nur oberflächlich leben. Und doch können sie ihren Alltagtrott, ihrer Starre durchbrechen. Wie oft versuchen wir verkrampft, an unserem jetzigen Leben festzuhalten. Bloß nicht an das Ende denken, bloß nicht über den Tellerrand hinausschauen. Aber Auferstehung kann mitten im Alltag geschehen. Wenn sich auf einmal ein unlösbarer Knoten löst, wenn ein schwieriges Gespräch gelingt, wenn die Lösung eines Problems „vom Kopf in den Bauch rutscht“, wenn man sich in einem Flow befindet, wenn eine innere Spannung nachlässt und man loslassen kann, weil man weiß: „Jetzt, genau in diesem Moment, passiert etwas Befreiendes.“ Auferstehung kann geschehen, wenn wir noch mitten auf dem Weg der Lösungsfindung sind, selbst wenn wir noch verbittert sind über unsere geplatzten Träume und Hoffnungen. Dann, wenn wir auf einmal den Sinn erkennen in all dem, was uns widerfährt, wenn sich uns die Augen öffnen und wir erkennen: Wir sind nicht allein. Dann ist das Auferstehung.

Und hier komme ich noch mal zurück zum Kreuz: Das Kreuz, der Tod, ist nicht der letzte Ort. Es gibt etwas, was danach kommt. Das Grab ist leer, der Ort des Todes ist kein Ort, an dem wir etwas Lebendiges finden können. Wer im Tod das Leben sucht, der wird nicht fündig werden, der wird vor einem Ort der Leere stehen. Das gilt für die Frauen damals an Jesu Grab genauso wie heute für uns, die wir – wie auch immer – vom Tod betroffen sind. Das gilt für das Ende eines Menschenlebens, für das Ende von Beziehungen, von Sehnsüchten und von Wünschen, von Erwartungen und Zielen. Ein solches Ende hat immer etwas von Tod mitten im Leben. Aber sich daran festzuklammern heißt, vor dem leeren Grab zu stehen, denn da ist nichts mehr zu holen.

Leben kann nicht aus Krieg und Tod bringenden Waffen kommen, es kann nicht aus dem Verlust eines geliebten Menschen kommen, Leben kann nicht entstehen aus dem Vergraben in Trauer, es kann nicht kommen daraus, dass man immer auf das Ende schaut.

Die Frauen am Ostermorgen finden das Grab leer vor. Sie gehen wieder weg von diesem Ort, sie gehen den Jüngern entgegen und Jesus geht ihnen voraus. Sie lassen sich darauf ein, dass es etwas Größeres als den Tod gibt, sie lassen sich darauf ein, dass die Macht Gottes größer ist als jeder „Tod“ im Leben. Vielleicht zieht es einem in einer Krisensituation erst einmal den Boden unter den Füßen weg, wenn da ja zunächst nichts Hilfreiches greifbar ist. Aber genau dies ist der Weg ins Leben. Sich und seine alten Wege zu verlassen, sich und seine eigenen Gedanken zurückzustellen, all dies zu verlassen, um woanders neu anzukommen, bei Gott und damit wieder bei sich.

Ostern ist das Fest, an dem wir das Leben feiern, an dem wir deutlich machen, dass Gott nicht das Böse, das Todbringende will, sondern das Leben Bejahende. Und deshalb ist Ostern für uns so wichtig, so fundamental.

Und so wünsche ich uns allen, dass wir mit der Freude am Leben in die kommende Osterzeit gehen.

Amen.