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Predigt im Jugendgottesdienst am 26. März 2015 im Gemeindezentrum Süd

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Superheroes – Superhelden:
Wären wir das nicht manchmal gern?


Predigt gehalten von Gabriele Moog im Jugendgottesdienst am 26. März 2015 im Gemeindezentrum Süd

Wenn nur ein paar Dinge anders laufen könnten. Wenn wir unser Leben besser im Griff hätten, die Schule nicht so anstrengend wäre, die Eltern nicht so nervig, die Nachbarn nicht so empfindlich, die schicken Klamotten nicht so teuer.

Auch wenn wir uns mit anderen vergleichen, meinen wir oft, schlechter dazustehen. Oder wir fühlen uns direkt angegriffen.

Wäre es nicht die Lösung: Einfach der Stärkere sein, wenn uns jemand dumm kommt. Alles hört auf unser Kommando. Alles gelingt. Prüfungen meistern wir ohne Anstrengung. Geld ist da, Gesundheit sowieso. Keine Niederlagen, keine Schwächen, nie wären wir Opfer. Niemand disst uns, Mobbing kennen wir nicht.

'FashionGirl Superheroina', 2011, Astronautic81, GNU-Lizenz für freie Dokumentation

Wäre es nicht toll, wenn wir statt unserer Schwächen Superhelden-Kraft hätten? Wie in dem Lied von „The Script“, das wir gerade gehört haben: „Turn the pain into power“. Schwäche einfach in Kraft verwandeln. „That’s how a superhero learns to fly“. So lernt ein Superheld sogar das Fliegen.

Gibt es das wirklich? Leben ohne Anstrengung? Ohne Schwäche? Wären wir als Superhelden überhaupt noch Menschen? Würden unsere Freunde uns noch mögen? Oder hätte man nicht eher Angst vor uns?

Eigentlich müssen wir darüber nicht lange Nachdenken – wir sind ja keine Superhelden. So funktioniert es leider nicht. Kein Mensch ist immer stark. In jedem Leben gibt es Zeiten der Schwäche. Wir müssen Schwierigkeiten aushalten. Das klappt mal besser, mal schlechter. Trotzdem lohnt das Nachdenken über Stärken und Schwächen – und über ihren Zusammenhang.

Wie in dem Lied kann es nämlich manchmal doch funktionieren, Schwäche und Leid in Kraft und Stärke zu verwandeln. „Turn the pain into power“.

Allerdings wird man dadurch nicht unbedingt zum übermenschlichen Superhelden. Im Gegenteil: Die Stärke, die aus Leiden kommt, wirkt oft klein und verborgen. Dafür können wir immer wieder erfahren, wie gegen alle Hoffnung Wendungen zum Guten gelingen – auch im eigenen Leben.

Ein Beispiel war in dem Video zu sehen: Für seine kleine Tochter ist ihr Vater ein Held. Sie vertraut ihm, er schenkt ihr ein Pferdchen. Daß er gar keinen „Anzug-Job“ hat und woher das neue Spielzeug kam, ahnt sie nicht.

So kann der Mann, der scheinbar ganz unten lebt und im Müll wühlt, seiner Tochter etwas Großes geben: Liebe, Geborgenheit und eine fröhliche Kindheit. Vor der ganzen Härte des Lebens kann er sie noch eine Weile beschützen. Er hält ihr eine Perspektive aufrecht.

'Unemployed Man - Exhibitor at APExpo', 2010, Guillaume Paumier, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license

Die Zeit vor Karfreitag und Ostern heißt Passionszeit. Wir denken an das Leiden, das Jesus durchgemacht hat. Diese Phase im Jahr ist für mich etwas Besonderes, denn sie beleuchtet das Verhältnis von Stärke und Schwäche neu: Wir erinnern uns, wie Jesus gelitten hat, daran, wie er schwach war. Er wurde enttäuscht und verletzt, ausgelacht und geschlagen. Alles Gute, das er bringen sollte, wurde abgelehnt und verhöhnt. Es endete scheinbar auf die schlimmste Weise: mit einer grausamen Hinrichtung am Kreuz, mit dem schlimmsten Verbrecher-Tod.

Kein Heldenstück.

Und das hat man ihm auch noch vorgeworfen! Mehr als einmal hieß es: Wenn Du Gottes Sohn bist und ein großer König, dann hilf Dir doch! Herrsche, zaubere Dir Essen und Trinken herbei, steig‘ herab vom Kreuz! Sei unser Superheld – das war der Gedanke dahinter.

Doch Jesus fing es anders an. Gerade weil er wirklich Gottes Sohn ist, nahm er die Rolle des übermenschlichen Superhelden nicht an. Er wurde ein echter Mensch, mit allen Schwächen und mit der Aufgabe, auch das menschliche Leid auszuhalten. Das heißt, er kennt unsere Schwächen und unser Leiden als Menschen wirklich. Sogar das Sterben.

Als Superhelden hätte man Jesus gefürchtet, als Mensch können wir ihm begegnen. Gerade in schwachen Zeiten dürfen wir wissen, dass Gott bei uns ist. Das ist die erste Schlußfolgerung. Ich finde das tröstlich.

Das ist aber nicht alles: Ostern als Fest der Auferstehung bedeutet schließlich, daß zum Schluß Leid, Schmerz und Tod nicht das Ende sind: Sondern Gottes lebensspendende Kraft hat das letzte Wort. Für jeden von uns wird da eine Perspektive aufrecht erhalten.

Angesichts des Elends, der Kriege und der Gewalt auf dieser Welt, ja auch mit Blick auf den schrecklichen, offenbar absichtlich herbeigeführten Flugzeugabsturz am Dienstag, der uns sprachlos macht, wirkt der Weg, den Jesus wählt, wie eine Kapitulation. Da ist ein Mensch, der sich wie kein anderer seinen Mitmenschen zuwendet, sie heilt, von Angst und sogar von Schuld befreit; einer, der ganz für eine friedliche, liebevolle, menschliche Zukunft lebt. Mit barmherziger Zuwendung, mit Vergebung, mit Geduld und Hoffnung für alle. Und ausgerechnet ihn töten seine vermeintlichen Mitmenschen entsetzlich und brutal.

Mit ihm und allen Leidenden, Trauernden und Gefolterten, die nach ihm kamen, scheint also jede Hoffnung zu sterben. Das ist ein Tag des Entsetzens, eine Stunde des Dunkels, ein Moment der Fassungslosigkeit.

Da scheint es vielen natürlich naiv und lebensfremd, daraus Stärke ziehen zu wollen. Andererseits wäre er als Superheld reichlich abgehoben. Jesus bringt seine Kraft nicht durch Taschenspielertricks zur Geltung, sondern indem er etwas wirklich Ungewöhnliches bewirkt: Er verwandet das Leid ins Gutes, die Schwäche in Stärke. „Turn the pain into power“ – Jesus hat diese Fähigkeit.

Statt für sich selbst Zauberei zu nutzen, geht er in den menschlichen Tod – und überwindet ihn. Mit der eigentlich unvorstellbaren Auferstehung, die wir an Ostern feiern, hat er den Tod nicht nur für sich selbst, sondern für uns alle ein für allemal besiegt. Keine Angst ist mehr nötig. Dies ist nun wirklich eine Heldentat, mit der niemand gerechnet hatte.

Damit bietet Jesus uns – gerade als scheinbarer Versager, als grausam Hingerichteter – eine große Perspektive für unser Leben an. Sie reicht weit über das Scheitern, ja sogar über den Tod hinaus.

'Helping out make as happy', 2008, www.helperman.org, GNU-Lizenz für freie Dokumentation

Wie schnell sagt man heute „Du Opfer“, wenn einer Pech hatte oder sich vielleicht ungeschickt angestellt hat. Wenn etwas schiefgeht, sind wir eben keine Helden. Im Handumdrehen wird einem Opfer auch noch die Schuld zugeschoben für seine Lage. Schadenfreude regt sich bei den anderen. Die Schwachen sind in unserer Welt eben schnell die Verlierer und jeder hat Angst davor, ein Verlierer zu sein.

Daß Jesus am Karfreitag auch noch freiwillig die Opferrolle übernahm und sich verwundbar gemacht hat, erstaunt deshalb. Doch das ist die zweite Schlußfolgerung: Seit Jesus macht uns Christen Schwäche nicht mehr zu Verlierern. Sie bietet uns eine neue Chance, unser Leben anzupacken. Wie Jesus am Kreuz aus der größten Niederlage, dem Tod, die größte Stärke, die Auferstehung, machte, ist er uns auch ein Beispiel für den Umgang mit Schwachpunkten in unserem Leben.

Jesus hat für uns den Weg gefunden. Ohne dem Tod auszuweichen, was er wie sonst niemand gekonnt hätte, zeigt er uns seine Kraft mitten in der größten Schwäche, gewissermaßen am Abgrund des Menschseins. Diese Stärke hat eine ganz neue Qualität.

Auch jeder von uns kann daraus Kraft schöpfen. Wir glauben nicht an einen fernen Gott in einer anderen Welt, der unser Leid nicht kennt. Unsere Religion verschließt nicht die Augen vor der Not. Gott ist mitten im Unglück dabei.

Auch dazu lädt uns diese „Passionszeit“ ein: Am Beispiel von Jesus unsere Schwächen zu erkennen und nach den Möglichkeiten zur Neuausrichtung zu suchen.

Wenn etwas nicht klappt, ist das nicht das Ende. Wer das glauben kann, hat im Grunde alle Trümpfe in der Hand. „Turn the pain into power“. Das können wir jetzt auch.

Manchmal hilft schon ein neuer Blick auf meine Probleme. Deshalb möchte ich Euch einladen, alle diesen „Superhelden“ in Euch zu suchen: Denkt nach über Veränderungen! Gefragt sind ganz praktische Dinge: Was kann ich anders machen? Was ist wirklich wichtig in meinem Leben? Wo soll es nicht weitergehen wie bisher? Bin ich nachsichtig mit anderen? Man muß schließlich nicht gleich patzig werden, wenn jemand nervt. Zerstrittene können wir an einen Tisch holen und uns selbst im Streit auf die Sicht des anderen wenigstens einlassen – so beginnt übrigens die berühmte Feindesliebe.

Ich weiß: das braucht Mut. Und ganz sicher gibt es auch künftig Schwierigkeiten. Aber Ihr könnt versuchen, diese Schwierigkeiten anders zu sehen. Keiner muß alleine stark sein. Um Hilfe annehmen zu können, muß man seine Schwäche aber zugeben. Um auf diese Art schwach sein zu können, hilft mir die Kraft des Glaubens. Er gibt mir die Zuversicht, daß unser Leben von Gott getragen und begleitet ist. Zwar sind wir noch immer keine Superhelden. Aber gerade das ist befreiend. Denn wenn es darauf nicht ankommt, ist Schwäche kein Problem mehr. Was für ein Segen!

Am Ende des Gottesdienstes bekommt übrigens jeder ein Geschenk: Es ist ein Ei mit einem Superhelden-Motiv. Das Ei, das ja ein Symbol für Ostern ist, soll Euch schon jetzt in der Passionszeit auf Ostern hinweisen, auf den Moment, als Jesus seine Schwäche für uns alle in Stärke verwandelt hat.

Ich wünsche Euch, daß Ihr die damit verbundene Kraft und Zuversicht auch für Euch entdecken könnt. Amen.

'FashionGirl Superheroina', 2011, Astronautic81, GNU-Lizenz für freie Dokumentation.
'Helping out make as happy', 2008, www.helperman.org, GNU-Lizenz für freie Dokumentation.
'Unemployed Man - Exhibitor at APExpo', 2010, Guillaume Paumier, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license

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