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Predigten von Pfarrerin Heike Seidel-Hoffmann: Themenpredigt: "GOTT UND DAS GLÜCK"

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Themenpredigt: "GOTT UND DAS GLÜCK"

Gehalten von Pfarrerin Heike Seidel-Hoffmann:

'Wine Grapes
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Wer zum Thema „Glück“ etwa sucht, wird schnell im Internet fündig und landet dann per Mausklick zum Beispiel auf der Homepage der „ICHselbstAG“. Sie wirbt mit dem Satz „Wahres Glück trägt nur einen Namen: Ich selbst!“ Ein Persönlichkeitsberater mit nettem Photo taucht auf und will folgendes wissen: „Fragen Sie sich auch schon länger: Warum habe ich Schwierigkeiten? Warum sind meine Beziehungen überlagert von Problemen? Sie wollen doch glücklich sein! Glück ist kein Problem! Durch die Kraft Ihrer Persönlichkeit und eine viertägige Klausurtagung lernen Sie, Erfolg, Lebensweg und das eigene Glück in die Hand zu nehmen.“ Solch goldene Worte, liebe Gemeinde, versprechen so viel und können doch so wenig davon einlösen. Eins ist klar: Hier spielt jemand auf der Klaviatur unserer Sehnsüchte. Glücklich wollen wir alle sein.

Welche Antworten gibt die Bibel? Zunächst die hebräische Bibel, das sog. „AT“: Das Wort „Glück“ heißt auf hebräisch einfach „ha tow“. Das bedeutet „das Gute“, aber auch „das Angenehme, das den Sinnen gefällt“. Hier kommt die ästhetische Dimension ins Spiel: „Die gute, d.h. die schöne Frau“, „die gute, d.h. die wohlriechende Salbe“. „Glück“ bedeutet aber auch „das Nützliche, das Fruchtbare, das dem Leben Förderliche, das Reichliche“ und, im höheren Sinne, „die Nähe Gottes“, „das, was Gott wohlgefällt“. Hier kommt die ethische Dimension ins Spiel. Glück ist „das rechte und wahre Tun, die Wohltat“. Der Menschen ist glücklich zu nennen, den Gott mit einem erfüllten Leben gesegnet hat: Mit irdischen Gütern, doch besonders mit dem Glück der rechten Gottesgemeinschaft. Darum wird vor allem der Fromme glücklich gepriesen, der Gottes Gesetz gehorsam ist und Gott allein vertraut. So heißt es im 16. Psalm: „ Ich spreche zum Herrn: Du bist mein Herr, mein Glück ist nur bei dir.“ Im 25. Psalm steht: „Wer ist der Mensch, der den Herrn fürchtet? Gott wird ihm den Weg weisen, den er wählen soll. Er wird im Glück wohnen, und seine Nachkommen werden das Land besitzen.“ Im 73.Psalm steht: „Mein Glück aber ist es, Gott nahe zu sein; bei Gott, dem Herrn, habe ich meine Zuflucht. Alle deine Werke Gott will ich verkünden.“ Und in Psalm 84 steht: „Denn Sonne und Schild ist Gott, der Herr. Gnade und Ehre gibt der Herr; kein Glück versagt er denen; die in Vollkommenheit wandeln.“ Wahres Glück liegt also in der Beziehung zu Gott begründet.In unserem nachchristlichen Zeitalter verbinden immer weniger Menschen „Glück“ mit „Gott“.

Und es leuchtet auch zunächst ein, auf Gott zu verzichten. Denn zum Glück gehören doch ganz klar: Erst einmal andere Menschen: Tiefe und dauerhafte Beziehungen, Freunde, ein soziales Netz in dem ich mich geborgen fühle. Dann auch die Einstellung zu sich selbst: Die Fähigkeit sich zu freuen, Selbstvertrauen, das Empfinden von Harmonie, die Befriedigung von Bedürfnissen; eine zufrieden stellende Tätigkeit, der Wechsel von Aktivität und Entspannung, die Arbeit und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Und natürlich muss auch die materielle Lebensgrundlage gesichert sein: Mit Geldsorgen kann ich nicht glücklich sein.

'The São Paulo Stock Exchange', Rafael Matsunaga, 2007

Doch wo kommt die Religion ins Spiel und welchen Platz hat sie auf der Suche nach dem Lebensglück? Bringt der Glaube etwas fürs Glücklichsein? Sind nicht unsere Erfahrungen ganz andere? Die Mediengesellschaft bringt es an den Tag; Stichwort „Globalisierung“. Kritiker sagen: „Ein anderes Wort für Ausbeutung.“ Eine kleine elitäre Minderheit in dieser Welt lebt nur noch sich selbst, z.B. die Börsianer in New York, Tokio und Frankfurt. Sie überlegt sich tagtäglich, wie sie noch mehr Geld verdienen kann. Man überlegt, welche Yacht den nächsten Traumurlaub versüßt, ob es heute das braune Handtäschchen von Gucci oder das rosa Handtäschchen von Versace sein soll und welcher Rotwein einen alten Barolo noch toppen kann. Die große Mehrheit der Menschen hat dagegen andere Probleme. Zum Beispiel bei uns in Deutschland: Wie kann man von Harz IV leben wenn man auch noch krank oder arbeitsunfähig ist? Es sind viele tragische Schicksale die hier aufgezählt werden könnten. Zum Beispiel die vielen Menschen in Kenia, die sich überlegen wie sie sich teure Aids-Medikamente besorgen können oder wie sie sich in einem Slum mit Zehntausenden anderer Menschen tagtäglich über Wasser halten können. Das alles steht heute nebeneinander und man fragt sich: Ist Glück oder Unglück eine Frage des Schicksals? Ist es das Motto „Glück für die einen, Pech für die anderen?“ Das himmelsschreiende Unglück der einen und das scheinbar perfekt Glück der anderen steht nebeneinander. Wie kann man hier überhaupt noch von Gott sprechen?

„Selig sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“. „Selig seid ihr Armen, denn das Reich Gottes gehört euch.“ „Selig seid ihr, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“ „Selig seid ihr Barmherzigen, denn ihr werdet Barmherzigkeit erlangen. Selig ihr Friedensstifter, denn ihr werdet Gottes Kinder heißen.“ Das klingt völlig paradox. Hier werden Menschen glücklich genannt, die es allem Anschein nach überhaupt nicht sind: Trauernde, Arme und Hungernde. Sie werden selig genannt. Selig sein, das übertrifft noch das Glücklichsein. Das betrifft den Bereich des Himmels. Hier geht es um das Heilige und die Nähe zu ihm. Jesus spricht es denen zu, die nach den Maßstäben dieser Welt völlig versagen: Leidende, Arme, Trauernde. Und denen, die nach den Maßstäben dieser Welt völlig verrückt sind: Den Barmherzigen und Friedensstiftern. Barmherzige und Friedensstifter, das sind Ordensleute die ihren Dienst bei den Ärmsten der Armen tun, in Indien und Afrika, das sind die Leute die sich im Irak oder im Sudan für den Frieden einsetzen, die Risiken und Gefahren in Kauf nehmen um etwas zu verändern. Was würden wir ohne sie tun? „Selig sind die da Leid tragen…“. Jesus fragt nicht nach den Ursachen von Leid, Trauer und Armut. Ihm geht es allein darum, dass Gott das Geschick der Unglücklichen ganz sicher wenden wird. Auf ihrer Seite steht er ganz und gar; auf ihrer Seite, bei den Opfern, den auf der Strecke Gebliebenen. Ihnen spricht Jesus zu: Ihr seid die wahrhaftig von Gott Geliebten. Auf eurer Seite steht Er wirklich, und zwar gegen alle bürgerliche Logik und Vernunft.

Es geht nicht darum zu behaupten, dass die Armen und Geschundenen dieser Welt die im tieferen Sinne Glücklicheren wären – das zu behaupten wäre ja zynisch. Sondern es geht um die Sichtweise. Von Gott her gilt: Diese sind selig zu nennen, denn ihnen gilt die sichere Zusage der Nähe, der Liebe und Gerechtigkeit Gottes. Das alles ist natürlich untrennbar mit Jesus selbst verbunden. Denn durch Leiden und Kreuz hat er bewiesen, dass er wirklich und wahrhaft zu Gott gehört. Er hat das brutale Spiel von Macht und Gewalt eben nicht mitgespielt, sondern er hat es erlitten – und nur so kann es gehen. Er hat es ausgehalten und erlitten. Nur so kann man demonstrieren, dass man zu Gott gehört. Und das bedeutet im letzten der Glaube: Sich zu bewähren, treu zu bleiben und geduldig zu sein. Die Paradoxien der Seligpreisungen zeigen etwas vom Geheimnis des Glaubens, das höher ist als alle Vernunft. Diese Spannung gilt es auszuhalten und sich ihr auch auszusetzen. Christlicher Glaube hat es immer mit diesen Paradoxien zu tun. Wir können sie nicht auflösen und uns etwas zurechtbiegen, das uns besser gefällt. Zum Glück gehört nach biblischem Befund also beides: Die konkrete sinnliche Erfahrungsebene und die geistliche, die spirituelle Ebene.

'Wasserfall in Triberg', PSch, 2009

Kommen wir noch einmal zurück zur Ebene von Ästhetik und Ethik. Glücklich macht das sinnlich Erfahrbare im Leben: Die schöne Frau, das Leben in Fülle, das sichere Wohnen unter dem Weinstock und dem Feigenbaum. Das bedeutete dem alten Israel Glück. Doch dieses Glück war nicht gottlos, ganz im Gegenteil. Gott ist wie eine Art Basis, auf der das Glück landen kann. Das Halten des göttlichen Gesetzes, das Nachsinnen über Gottes Willen, die Auseinandersetzung mit seinen Geboten, die Anbetung und der Lobpreis Gottes, all das macht den Menschen tief und anhaltend glücklich. Zu wissen: Ich bin verbunden mit etwas Höherem, mit jemandem, der unendlich liebt, mit einer Kraft, die mein Leben trägt. Hier gibt es auch die Zusage des Glücklichseins gegen alle Erfahrung, wie ich es bei den Seligpreisungen erklärt habe.

Vor ein paar Tagen sah ich einen Mann, der hinter mir an zwei Krücken die Straße entlang humpelte. Er lachte mich an und strahlte dabei übers ganze Gesicht. Außer meinen Kindern habe ich in dieser Woche keinen fröhlicheren Menschen getroffen. „Selig sind, die da Leid tragen…“ Da ist ein Mensch getragen von Gottes Geist, der ihn tröstet und trägt und der ihn in allem Leiden nicht verbittern lässt, sondern durchsichtig macht für das, weswegen er leidet. Hier ist Gott nahe.

Der Kirchenvater Augustinus schrieb im Jahr 386 ein Büchlein mit dem Titel „de beata vita“, „vom glücklichen Leben“. Er versuchte damit, die von der griechischen Philosophie geprägten Zeitgenossen für den christlichen Glauben zu begeistern. Das Glück, das durch Jesus Christus in der Welt erschienen ist, ist das allein beständige Glück, das sich jeder Mensch für sein ganzes Leben erhoffen darf. Menschliches Glücksstreben muss sich am menschlichen Sein schlechthin und nicht an den individuellen Wünschen und Begierden des Einzelnen orientieren. Wir müssen wieder entdecken, was das Wesen des Menschen ausmacht, um es zum Maßstab unseres Glücksstrebens nehmen zu können. Dazu ist eine umfassende Selbsterkenntnis möglichst vieler nötig. Indem wir uns selbst erkennen und die Tiefen und Höhen unseres Lebens und das Licht und den Schatten unserer eigenen Existenz ausloten, so gelangen wir auch zu dieser Erkenntnis, dass ohne Beziehung zu einem höchsten Gut, das unser Dasein begründet, kein wahres Glück möglich ist.

In einer Predigt rät Augustin den Armen und den Reichen in der Gemeinde folgendes: „Hört auf den Rat eures Herrn: Verschafft euch nicht Schätze hier auf Erden, wo Motte und Grünspan sie vernichten und wo Diebe sie ausgraben und euch stehlen; verschafft euch vielmehr einen Schatz im Himmel, wohin der Dieb keinen Zugang hat und die Motte es nicht zerstört. Wo nämlich dein Schatz ist, dort ist auch dein Herz.“ Du Gläubiger, bei jeder Feier der Eucharistie hörst du das „Empor das Herz!“ Und als ob du das Gegenteil hörtest, versenkst du dein Herz in die Erde. Habt ihr davon? Tut Gutes damit! Habt ihr davon nicht? Murrt deswegen nicht gegen Gott. Hört mich, ihr Armen: Was habt ihr nicht, wenn ihr Gott habt? Hört mich, ihr Reichen: Was habt ihr, wenn ihr Gott nicht habt?“

Ich möchte schließen mit den Worten Augustins: „Cum enim te, deum meum, quaero, vitam beatam quaero.“ „Suche ich dich, mein Gott, so suche ich das glückselige Leben…Dich Gott werde ich suchen, damit meine Seele lebe. Es lebt nämlich mein Körper von meiner Seele und meine Seele von dir… und eben dies ist das glückselige Leben, auf dich hin sich zu freuen, an dir und deinetwegen.“

Amen

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Die Photographie 'The São Paulo Stock Exchange', Rafael Matsunaga, 2007, ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 Lizenz.

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