Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Predigten von Pfarrerin Heike Seidel-Hoffmann: Themenpredigt: "MÜDE – WACH"

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Themenpredigt: "MÜDE – WACH"

Gehalten von Pfarrerin Heike Seidel-Hoffmann:

'Apostel Paulus', Rembrandt, 1635

Müde zu sein, das belastet. Bei dem was Tag für Tag von uns gefordert wird, müssen wir gut ausgeschlafen sein. Wir leben in einer Gesellschaft der Aktiven und Leistungsbereiten. Sich bei dem schönen Wetter in die Sonne legen und dösen, das verlockt sehr, aber wer kann sich das schon gönnen ohne dass es heißt, er legt sich auf die faule Haut. Faulsein und es sich mit Dösen und Nichtstun gut gehen zu lassen, das ist eher in südlicheren Ländern gesellschaftsfähig, nicht bei uns. Aber wie schaffen wir es, bei all unserer Aktivität und bei all dem was wir bewältigen müssen im Beruf, in der Schule und Zuhause, nicht müde zu werden. Woher kommt unsere Energie? Müdigkeit ist für viele Menschen ein Dauerzustand geworden, weil die Anforderungen immer größer werden. Viele Leute können vor lauter Stress auch nicht mehr richtig schlafen und das macht alles noch schlimmer. So ist auch der Gottesdienst am Sonntag für viele ein Problem, weil es der einzige Tag ist, wo sie mal richtig ausschlafen können und dann mal richtig in Ruhe mit der Familie frühstücken können. Ich denke, dafür müsste die Kirche auch Verständnis haben und vielleicht auch andere Gottesdienstzeiten anbieten.

Die Müdigkeit des Körpers und die Müdigkeit der Seele sind aber immer auch verbunden. Es gibt eine Art innere Dauermüdigkeit, die aus einer inneren Frustration und stillen Verzweiflung kommt. Vielen Menschen macht diese Form der Müdigkeit zu schaffen:

Manche sind müde geworden in ihrem Alltagstrott, wo Tage und Wochen sich immer gleich abspulen und kaum noch etwas neues geschieht. Manche sind müde und mürbe, weil der Alltag zu schwer ist, weil kaum noch Kraft für einen selber bleibt, weil man überlastet ist von den Anforderungen in Beruf und Familie, besonders Frauen leiden ja darunter, oder man hat einen Angehörigen zu pflegen, das kann auch sehr erschöpfend sein, oder wenn man ein Dauerproblem in der Familie, in der Schule oder bei der Arbeit hat. Die Müdigkeit dehnt sich auch aus bis hinein in Glaubensdinge, weil der Kontakt zu Gott nicht so greifbar ist, wie ich mir das manchmal wünsche, weil neue Impulse fehlen, weil ich das Gefühl habe es ändert sowieso nichts. Manchmal ist Glauben wirklich schwer. Kein Wunder das viele des Glaubens müde sind, der Kirche fern stehen oder gar austreten. Es ist ja auch manchmal anstrengend sich um die Sache des Glaubens zu bemühen: Beten, Bibel lesen, tätiges Christsein, in den Gottesdienst kommen. Wie wir unseren Körper in Ordnung halten müssen mit Körperpflege und Sport, so müssen wir uns auch um unseren Geist und unsere Seele kümmern.

Paulus ist ein sehr aktiver Mann. Als Apostel ist er ständig unterwegs gewesen. Auch er kennt das, müde zu werden, ausgelaugt zu sein, keine Kraft mehr zu haben, ja, regelrecht mürbe zu werden durch die vielen Belastungen und Mühen. Er schreibt dagegen an und macht all denen Mut, die das auch spüren:

2. Korintherbrief Kapitel 4,16-18: „Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“

Paulus sagt uns heute: „Darum werden wir nicht müde ...“ Er schreibt das an seine Gemeinde in Korinth. Er hatte sie gegründet und fühlte sich ihr eng verbunden. Nun waren dort andere Prediger angekommen, die ausgeschlafener erschienen als er. Sie predigten gegen ihn, wußten die Gemeinde zu fesseln wussten und waren wahrscheinlich viel enthusiastischer als Paulus. Sie stellen sich als sogenannte „Superapostel“ dar. Sie versprechen als religiöse Muntermacher den Menschen die ewige Morgenfrische des Glaubens: Alles frisch, alles neu, alles ohne Probleme. Sie versprechen den Menschen den Himmel auf Erden, so wie es heute die Werbung und leider auch manche evangelischen Freikirchen entdeckt haben. Die Werbung verspricht uns eine Welt von glücklichen und munteren Menschen ohne Leid und Schmerz; manche Prediger der Freikirchen versprechen einen Glauben ohne Probleme: „Hauptsache Jesus“, und alles ist in Butter. Doch so einfach ist das leider nicht, da gibt es immer wieder auch ein Ringen um den Glauben, Phasen des Zweifels und der Anfechtung. Das ist ganz normal und gehört zum Christsein dazu. Den perfekten Glauben gibt es nicht und darf es gar nicht geben.

Paulus kann uns da nur ein großes Vorbild sein. Gegenüber den Superaposteln die alle in der Gemeinde anscheinend magisch anzogen erschien er wie einer, der müde geworden ist, der mit Schwächen zu kämpfen hat, der sogar mit einer chronischen Krankheit zu kämpfen hat, der eben für eine junge Gesellschaft nicht frisch und attraktiv genug ist.

Paulus hat das, was ihn müde und k.o. gemacht hat, nicht verschwiegen. Aber das ist gerade seine Stärke, weil es uns letztlich allen so geht. Da müssen wir nichts vorspielen, was gar nicht so ist. Und das ist die Stärke des christlichen Glaubens, dass wir zu unseren Schwächen und unserer Nichtbelastbarkeit auch stehen können, dass Gott uns zusagt: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“. Denn auch uns geht oft die Puste aus, auch wir kämpfen mit dem einen und dem anderen in unserem Leben, das uns müde und mürbe macht. Und dann fühlen wir uns eben nicht mehr frisch und jung, dynamisch und unverbraucht, so wie das in unserer Gesellschaft immer verlangt wird, sondern wir sind dann erschöpft und ausgelaugt, ausgepumpt und müde. Paulus macht uns Mut. Bei aller Müdigkeit, die uns in den Knochen steckt, es bleibt ein Energiezentrum in uns aktiv, das uns wieder aufrichten kann. Ganz tief in uns bleibt unsere Seele frisch, wenn sie mit Gott verbunden bleibt, denn aus ihm kommt unendlich viel Kraft und neue Energie.

Gott wirkt in uns und wir müssen dieser Kraft vertrauen, denn sie ist unabhängig von allem Äußeren. Paulus schreibt: „wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert“. Unser innerer Mensch ist ganz mit Gott verbunden und bildet ein Bollwerk gegen das, was uns von außen her zukommt. Natürlich müssen wir uns Zeit nehmen auf unseren inneren Menschen zu hören, ihn vielleicht auch zu pflegen, aber es ist die Gnade Gottes, die da in uns hineinströmt, unabhängig wie müde und erschöpft uns das Leben gemacht hat.

'Mt. Shasta', PSch, 2008

Oft glauben wir nur an das Sichtbare. Wenn wir durch Probleme oder schwere Schicksalsschlägen müde geworden sind, dann orientieren wir uns nur noch an dem was wir sehen: wir sehen uns im Spiegel, wie schlecht und müde wir wirken, wir sehen, dass wir durchs Älterwerden nicht mehr so viel schaffen wie früher, wir sehen dass viel schief läuft. Dem hält Paulus entgegen: Was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Das Unsichtbare in uns zu entdecken und darauf zu vertrauen, auf unseren inneren Menschen, der mit Gott verbunden ist, das hilft und gibt Kraft, das macht wieder wach und gibt neue Energie. So wacht nun alle auf um nach innen zu sehen, um Gott zu spüren, denn er ist da. Gott ist wach und macht euch wach. Gott schläft nicht.

Ich schließe mit einem Wort aus Psalm 121:

„Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht.“

Amen

Das Gemälde 'Apostel Paulus', Rembrandt, 1635, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.

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