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Predigten von Pfarrerin Heike Seidel-Hoffmann: Themenpredigt: "LICHT"

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Themenpredigt: "LICHT"

Gehalten von Pfarrerin Heike Seidel-Hoffmann:

Der Antelope Canyon in den USA, Arizona, 2007, Lucas Löffler

Licht ist die Grundlage allen Lebens. Die Energie des Lichtes erhält alle Lebensprozesse. Doch Licht ist nicht nur Energie, es ist auch Schwingung, sagen die Physiker. Und letztlich ist alles im Universum aus dieser Schwingung aufgebaut. Jede Art von Materie kann man also auch als Schwingung definieren. Den Anfang des Universums kann man sich vielleicht als eine Art „Urlicht“ vorstellen, aus dem später alles andere entstanden ist. Licht ist Leben und schafft Leben. In einem Mystikbuch habe ich den Satz gefunden:

Im Anfang war das Licht. Das erinnert an das Johannesevangelium: „Im Anfang war das Wort.“ Im griechischen steht: „In archä än ho logos“. „Logos“ bedeutet „göttliche Schöpferkraft“. Die göttliche Schöpferkraft kann man sich auch als LICHT vorstellen. Im Anfang war das Licht. Doch das Licht blieb nicht für sich allein. Es wollte sichtbar und erfahrbar werden. Es wollte bei den Menschen wohnen. In Jesus Christus kommt das Licht in die Finsternis. In diesem Menschen kommt Gottes Licht in diese Welt, wird spürbar und greifbar für die, die sich ihm öffnen.

Da sprach Jesus zu ihnen: „Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle.

Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet.“

Das redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen. (Johannesevangelium Kapitel 12, 34-36)

„Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch“. Diese Antwort gibt Jesus denen, die fragen, wer er ist. Jesus ist „Licht“. Ein kleines Wort, das doch so viel ausdrückt. Ein kleines Wort, aber jeder versteht, was es bedeutet. Jesus sagt: „Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt.“ „Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht.“

Gottes Licht macht diese Welt hell, damit die Menschen nicht im Dunkeln tappen. Es gibt die Orientierung auf das Ewige, auf das Bleibende, auf das, was trägt und Hoffnung schenkt im Leben. Kinder haben Angst vor dem Dunkeln. Erwachsene denken, sie hätten diese Angst überwunden. Aber wenn wir ehrlich sind: Sie ist doch da, sie begleitet uns doch immer auf Schritt und Tritt. Die Angst ist da vor der Dunkelheit, vor der Unsicherheit, vor dem Fallen ins Bodenlose. Und auch die Angst vor den Schattenseiten des Lebens.

'The Light of the World', 1851, William Holman Hunt

Wenn ein Kind nicht schlafen kann, weil es Angst im Dunkeln hat, dann hilft es oft schon, die Tür einen Spalt offen zu lassen, damit ein Lichtstrahl vom Flur das Kinderzimmer nicht ganz so dunkel erscheinen lässt. Das gibt dem Kind das Gefühl der Sicherheit. Draußen im Licht sind Mama und Papa, die auf mich aufpassen. So ist es auch mit dem Licht Jesu Christi. Christus ist wie ein Lichtstrahl im Dunklen, der das Dunkle erträglich macht. Durch diesen Lichtstrahl verschwindet die Dunkelheit zwar nicht, die Nacht bleibt und die Angst auch, aber durch diesen Lichtstrahl wird alles erträglicher. Im letzten sind wir alle wie Kinder im Dunklen; wir sind abhängig von Gottes Licht, von seiner Klarheit und Wärme. Da beginnt der Glaube. Zu erkennen: „Ich bin abhängig von dem, der das Leben selbst ist, ich brauche ihn, der helles und strahlendes Licht ist, ich sehne mich nach ihm, der allein Wärme und Hoffnung schenken kann.“ Jesus sagt: „Glaubt an das Licht, damit ihr Kinder des Lichtes werdet.“

“Kinder des Lichtes”, das klingt nach einem hohen Anspruch. Doch ich möchte es einfach ausdrücken: Jeder Mensch wünscht sich, auf andere Menschen positiv zu wirken, gut anzukommen, eine gute Ausstrahlung zu haben. Die Ausstrahlung eines Menschen hat etwas mit Licht zu tun. Und diese Ausstrahlung kommt von ganz tief innen, sie ist mehr als nur ein oberflächliches „gutes Aussehen“. Die Frage nach innerer Ausstrahlung ist unabhängig von einem Schönheitsideal. Bei einem Menschen mit guter Ausstrahlung strahlt ein inneres Licht. Um diese Ausstrahlung zu gewinnen, hilft keine Kosmetikerin, kein Persönlichkeits- oder Managementtraining. Dadurch können vielleicht nur die Mängel der Person deutlicher auffallen und vielleicht oberflächlich auch korrigiert werden. Doch das innere Licht, die Ausstrahlung, hat ganz wesentlich etwas mit dem Glauben und den Überzeugungen eines Menschen zu tun, und auch damit, ob er fähig ist, sich selbst, Gott und andere Menschen zu lieben.

In vielen Bildern der Kunst wird Christus mit einem Heiligenschein dargestellt. Das ist die bildliche Umsetzung des Wortes Jesu: „Ich bin das Licht der Welt.“ Das Heiligsein eines Menschen wird mit einem Heiligenschein ausgedrückt. Dieser Heiligenschein ist wie ein Nimbus, eine Strahlkraft dieses Lebens, eine ganz eigene Leuchtkraft, die aus diesen Menschen herausströmt, ihn heraushebt und von anderen unterscheidet. Doch was ist ein Heiliger eigentlich? Heilige sind Menschen, die von Gottes Licht berührt wurden. Sie stehen in enger Verbindung mit Gott und können deshalb Besonderes vollbringen. Man sieht ihnen an, dass sie durchlässig geworden sind für Gottes Licht. Heilige sind nicht fehlerlos, nicht stark, nicht unverwundbar, sondern nur durchlässig für Gott. Für das Volk Israel ist Mose ein solcher Heiliger. Nachdem Gott sich ihm offenbart hatte, heißt es, „sein Angesicht leuchtete wie die Sonne“. Das Licht Gottes hatte bei Mose seine Spuren hinterlassen. „Sein Angesicht glänzte“, so heißt es. Das Leuchten des Angesichts, das Leuchten der Augen steht für eine geänderte Leiblichkeit, für einen Menschen, der von Gottes Licht berührt und verwandelt ist. Die Mystiker sprechen vom „Charisma“, von der besonderen Ausstrahlung eines Menschen als einer Gabe Gottes.

In der orthodoxen Kirche ist es ein großes Ideal besonders für die Mönche, vom Christuslicht berührt zu werden. Dafür nehmen sie große Askese auf sich, gehen einen langen entbehrungsvollen Weg dafür. In der evangelischen Kirche herrscht die Meinung, allein der Glaube würde uns zu Heiligen machen, die sich selbst nicht mehr in Frage zu stellen brauchen. Ich glaube, das ist eine sehr verkürzte Vorstellung von dem, was Gott von uns erwartet. Sagen wir lieber: Der Glaube ist der Anfang, aber der Weg, der zum göttlichen Licht hinführt, ist lang und schwierig.

'Rainbows and departing storm clouds, Minsi Lake, Northampton County', 2006, Nicholas from Pennsylvania, USA

Denken wir noch einmal an die „gute Ausstrahlung“. Eine gute Ausstrahlung ist letztlich eine Sache des Glaubens. Wer allein aus sich selbst heraus, allein aus eigener Kraft heraus leuchten will, bleibt nur in sich selbst gefangen. Der erste Schritt ist, dass man sich selbst relativieren kann, dass man demütig sein kann und erkennt „ich brauche Gott, bin abhängig von ihm. Ohne sein Licht bleibe ich in der Dunkelheit gefangen, in meiner Dunkelheit, in meinen Schattenseiten gefangen. Ohne Gottes Licht, dass in meinem Leben wirken will, tappe ich immer nur im Dunkeln.“ Jesus sagt: „Glaubt an das Licht, damit ihr Kinder des Lichtes werdet.“ Alle, die durch die Taufe Anteil haben an Christus, sind aus der Finsternis ins Licht gekommen. Die Augen des Herzens sind sehend geworden. Sie sind Erleuchtete und darum fähig, nun ihrerseits ihr Licht vor den Menschen leuchten zu lassen, indem sie gütig sind, wahrhaftig und gerecht. Das war die Erfahrung der ersten Christen: Aus der Finsternis in das erleuchtete und heilende Licht Christi gekommen zu sein. Hinwendung und Vertrauen in Gott erfahren zu haben. Das bedeutet: Dem zu vertrauen, der das reine Licht ist; das Licht, in dem es keine Finsternis gibt. Wer diesem Licht glaubt und nachfolgt, der kann sagen: „Gottes Licht möge in Jesus Christus kommen und mich leiten und trösten in der Dunkelheit meines Zimmers. Ich hoffe darauf, sein Licht möge mich führen da, wo ich blind bin, da; wo ich nicht weiterweiß. Ich bete darum, dass sein Licht all meine Dunkelheiten umfängt und sie erträglich macht. Gottes Licht sei bei mir in meinem Leben und in meinem Sterben.“

Im 2. Korintherbrief Kapitel 4 schreibt der Apostel Paulus vom Licht Gottes auf sehr persönliche Art und Weise: „Gott hat einst gesagt: Licht strahle auf in der Dunkelheit. So hat er auch sein Licht in meinem Herzen aufleuchten lassen.“ Paulus schreibt diese Worte nicht aus einem naiven Glauben heraus. Er weiß, wie die Welt ist und wie die Menschen sind. Am eigenen Leib hat er Krankheit, Ablehnung und Verfolgung erfahren. Er sagt: „Ich weiß oft nicht mehr weiter, aber ich verzweifle nicht…ich bin von allen Seiten bedrängt, aber ich ängstige mich nicht…ich werde unterdrückt, aber ich komme nicht um“. Die Welt ist nur wenig hell, aber das Licht Gottes leuchtet in den Herzen derer, die sich ihm öffnen und die wissen, dass sie dieses Licht zum Leben brauchen. Ich denke, das vergessen wir oft oder wir zweifeln, weil wir denken, um uns herum und in dieser unserer Welt müsste alles doch schon viel heller sein. Denn wir wissen doch schon so viel; haben doch schon so viel erfasst mit dem Licht der Vernunft, besonders in den Künsten und Wissenschaften. Gottes Licht wirkt im menschlichen Geist und in der menschlichen Vernunft, doch es geht nicht darin auf. Das Licht der Vernunft und das Licht Gottes müssen immer klar voneinander unterschieden bleiben. Die menschliche Vernunft befindet sich immer in der Versuchung, Finsternis als Licht auszugeben. Sie erklärt damit sogar Auschwitz und die Atombombe. Doch das wahre göttliche Licht, das die Welt wirklich heller machen kann, kann nur aus den Herzen derer kommen, die mit Gott verbunden sind und deshalb auch die Schwächen, Brüche und Verletzungen kennen und mit ihnen alle Grenzen des menschlichen Lebens. Diese Gläubigen wissen um die Bedingtheiten des Menschen und sind deshalb demütig und friedfertig. Sie werden niemals große Worte machen, sondern immer ihre Abhängigkeit von Gott benennen und ausdrücken können. So, wie es ein von Nazis ermordeter Theologe einmal geschrieben hat:

'cloud illuminated by sunlight', 2006 - Ibrahim Iujaz from Rep. Of Maldives

„Komm, wahres Licht,
komm, ewiges Leben,
komm, verborgenes Mysterium,
komm, Unaussprechlichkeit,
komm, abendloses Leuchten,
komm, der Toten Auferstehung,
komm, immer noch bleibend,
doch hinübergehend in die Stunden.
Komm, Name hochersehnt und hochgefeiert;
es auszusprechen, was du bist und wie du bist.
Komm, Freude ohne Ende,
komm, Einsamer zu Einsamen,
denn einsam bin ich, wie du siehst.
Komm, wahres Licht,
denn zur Sehnsucht bist du mir geworden,
du hast das Sehnen mir nach dir gegeben.“

Amen

Die Photographie 'Der Antelope Canyon in den USA, Arizona, 2007, Lucas Löffler', wurde von ihrem Urheber zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben. Das Bild ist damit gemeinfrei („public domain“). Dies gilt weltweit.
Das Gemälde 'The Light of the World', 1851, William Holman Hunt, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Die Photographien 'cloud illuminated by sunlight', 2006 - Ibrahim Iujaz from Rep. Of Maldives, sowie 'Rainbows and departing storm clouds, Minsi Lake, Northampton County', 2006, Nicholas from Pennsylvania, USA, sind lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 Lizenz.

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