Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Kirchenjahr - Reformation: 31. Oktober

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Reformation

Am 31. Oktober 1517 verkündete Martin Luther 95 Thesen zum Thema Ablass, die ein Gespräch innerhalb der Kirche anregen sollten. Gegen seinen Willen wurden diese Thesen veröffentlicht und lösten Bewegungen aus, die nicht mehr aufzuhalten waren: diese Erneuerungsströmungen werden heute "Reformation" genannt und führten zu der Entstehung von protestantischen Kirchen.

Martin Luther

Gerechtigkeit

Aber das eigentliche Thema für Luther war nicht Ablasshandel, sondern Gerechtigkeit. Im Mittelalter wurde Gerechtigkeit ausschließlich als Vergeltung verstanden: jeder Mensch bekommt angeblich die Strafen und Belohnungen, die er verdient hat. Luther hatte eine abgrundtiefe Angst vor der Gerechtigkeit Gottes, denn Gerechtigkeit war für Luther eine massive Drohung: die Drohung des ewigen Höllenfeuers. Nach damaliger Auffassung mussten alle Sünden abgebüßt werden. Und weil die Zeit auf Erden angeblich nicht ausreichend war, um alle Sünden abzubüßen, gab es das "Fegefeuer".

Vergebliche Suche nach Frieden

Im Mittelalter drohte die Hölle als Ort der ewigen Bestrafung für Sünde. Gott galt als zorniger Richter. Angeblich konnte der Mensch durch eigene Leistung etwas gegen seine Trennung von Gott unternehmen, um Gott zu besänftigen und um Gott näher zu kommen.

  • Gottesdienstbesuch
  • Sakramente (Taufe, Eucharistie, Firmung, Beichte, Eheschließung, Priesterweihe, Krankensalbung)
  • Pilgerfahrten zu Heiligenstätten oder Wunderstätten
  • Gebete
  • Ablass (Geld spenden, um die Zeit im Fegefeuer zu verkürzen)
  • Fasten
  • In ein Kloster einziehen, d.h. auf Ehe, Besitz und Freiheit verzichten als Opfergabe an Gott
  • Gute Werke (z.B. Geld für arme Menschen spenden)
  • Selbstbestrafung (Luther hat im Winter auf dem Boden geschlafen, ohne Decke)

Alle diese Leistungen aber reichten nicht aus, um Frieden mit Gott zu finden – hat Luther feststellen müssen. Denn egal wie viel man tat, es ist nie genug, um sicher zu sein, dass die Sünde auf der Gerechtigkeitswaage ausgeglichen ist.

Sünde ist Entfremdung

In diesem Gerechtigkeitssystem steckt ein Kapitalfehler: der Mensch kann durch keine eigene Leistung die Trennung zwischen ihm und Gott überbrücken. Keine menschliche Leistung kann die Sünde ausgleichen. Denn Sünde besteht nicht bloß aus moralischen Verfehlungen, sondern ist ein Zustand der Entfremdung von Gott.

Endfremdung von Gott wird erkennbar dadurch

  • Dass wir nicht spüren, ob Gott für uns da ist oder nicht
  • Dass wir nicht wissen, was aus uns wird, wenn wir sterben: ist Vernichtung das absolute Ende oder geht es weiter? Was ist unser ewiges Schicksal?
  • Dass wir nicht wissen, ob das Leben zuletzt sinnvoll oder sinnlos ist.
  • Dass wir nicht wissen, ob unsere Trennung von Gott aufgehoben wird oder endgültig ist (= Hölle)

Gnade

Gemeinschaft mit Gott ist ein Geschenk der Gnade

Nur Gott kann die Kluft zwischen ihm und uns überwinden, indem er zu uns kommt und die Verbindung herstellt. Diese Zuwendung heißt Gnade. Gnade bedeutet: Gott wurde Mensch und wohnte unter uns, er nahm unsere Vergänglichkeit an und starb unseren Tod. Er hat auf diese Weise die Entfremdung zwischen ihm und uns überbrückt. Die Gemeinschaft mit Gott ist ein Geschenk der Gnade, das wir annehmen können, wenn wir z. B. Abendmahl feiern.

So wie keine menschliche Leistung die Sünde ausgleichen kann, so kann keine menschliche Verfehlung oder Schwäche die Gnade vermindern. Denn die Gnade verkündet, dass jede menschliche Seele vor Gott unendlich kostbar ist; jeder Mensch hat eine Würde vor Gott, die unantastbar ist. Die Gerechtigkeit Gottes besteht nicht aus Vergeltung, sondern aus Gnade, und Gnade ist unendliche Barmherzigkeit. Und die Unendlichkeit lässt sich weder ergänzen noch teilen.

In seinem sogenannten Turmstubenerlebnis im Augustinerkloster zu Wittenberg entdeckte Luther, dass Gnade und Gerechtigkeit identisch sind. Gerechtigkeit bedeutet also nicht, dass jeder bekommt, was er angeblich verdient hat, sondern dass alle Menschen vor Gott gleichwertig sind und dass jeder Mensch für eine innige, ewige Gemeinschaft mit Gott vorgesehen ist. Das ewige Schicksal eines Menschen hängt allein von der Barmherzigkeit Gottes ab.

Luther beschreibt diese Entdeckung folgendermaßen:

"Mit brennendem Eifer verlangte es mich, Paulus im Römerbrief zu erkennen, und nichts stand im Wege als der einzige Ausdruck: ‚die Gerechtigkeit Gottes’, denn ich vermeinte, er bedeute die Gerechtigkeit, nach der Gott gerecht ist und gerecht handelt, indem er die Ungerechten bestraft. Meine Lage war so, dass ich, obwohl als Mönch untadelig, vor Gott stand als ein Sünder mit unruhigem Gewissen, und ich konnte nicht glauben, ich vermöchte ihn durch meine Genugtuung zu besänftigen. Daher liebte ich Gott, den Gerechten und die Sünder strafenden, nicht, sondern hasste ihn vielmehr und murrte gegen ihn. Dennoch bestürmte ich Paulus und dürstete brennend, seine Meinung zu wissen. Tag und Nacht sann ich nach, bis ich den Zusammenhang einsah zwischen der Gerechtigkeit Gottes und dem Satz, dass, der Gerechte seines Glaubens leben’ solle. Dann erfasste ich es, dass die Gerechtigkeit Gottes die ist, durch die Gott in Gnade und bloßem Erbarmen uns rechtfertigt. Da fühlte ich mich völlig neugeboren und durch die offenen Türen in das Paradies eintreten. Die ganze Schrift gewann ein neues Aussehen, und wenn vorher die ‚Gerechtigkeit Gottes’ mich mit Hass erfüllt hatte, so wurde sie mir jetzt unaussprechlich süß und liebenswert. Dieser Satz des Paulus wurde mir zu einer Paradiespforte."

PSch

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