Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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"ABC" des Glaubens - Leviathan

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Leviathan

Österlicher Fischfang: Leviathan

Kohle und Feuer

Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.

Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.

'Petrus begegnet dem Auferstandenen', 1984 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Petrus begegnet dem Auferstandenen', 1984 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.

Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl!

Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische. Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.

(Johannes 21, 1 – 14)

Zwei österliche Fischmahlzeiten

Welches Tier erscheint zweimal in den Osterberichten der Evangelien? Die Antwort ist etwas überraschend: es ist weder ein Lamm noch ein Hase, sondern Fische. Zweimal wird von einer Fischmahlzeit gesprochen: bei Lukas und hier bei Johannes. Und Johannes berichtet, dass der Auferstandene höchstpersönlich das Fischgericht vorbereitet hatte.

Leviathan

Ganz offensichtlich gibt es hier eine versteckte Botschaft. Um diese Botschaft zu entdecken, muss man wissen, was der Begriff „Leviathan“ bedeutet. Leviathan ist vordergründig ein mythologisches Seeungeheuer, aber hintergründig ein Symbol für chaotische, menschenfeindliche Zerstörungsgewalt. In dem Buch Hiob befindet sich die Andeutung einer dritten Schöpfungsgeschichte (die ersten beiden Schöpfungsberichte stehen am Anfang der Bibel). In dieser dritten Schöpfungserzählung spricht Gott selber zu Hiob und beschreibt, wie er chaotische Gewalt gebändigt hatte. Dazu gehört seine Beschreibung des Leviathan:

Kannst du den Leviathan fangen mit der Angel und seine Zunge mit einer Fangschnur fassen?
Kannst du ihm ein Binsenseil an die Nase legen und mit einem Haken ihm die Backen durchbohren?
Meinst du, er wird dich lang um Gnade bitten oder dir süße Worte geben?
Meinst du, er wird einen Bund mit dir schließen, dass du ihn für immer zum Knecht bekommst?
Kannst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel oder ihn für deine Mädchen anbinden?
Meinst du, die Zunftgenossen werden um ihn feilschen und die Händler ihn verteilen?
Kannst du mit Spießen spicken seine Haut und mit Fischerhaken seinen Kopf?
Lege deine Hand an ihn! An den Kampf wirst du denken und es nicht wieder tun!

(Hiob 40, 25 – 34. Die Beschreibung des Leviathans geht bis 41, 26)

Leviathan wird auch im Psalm 74 erwähnt und auch hier geht es um die schöpferische Kraft Gottes, die das Chaotische überwältigt. Im Psalm 74, 14 heißt es:

Du hast dem Leviathan die Köpfe zerschlagen
und ihn zum Fraß gegeben dem wilden Getier.

(Ps. 74, 14)

Kyril von Jerusalem greift diesen Text auf, indem er schreibt: „Wie die Köpfe des Leviathan zerschlagen werden mussten, hat Jesus, nachdem er in das Wasser (des Jordans) abstieg, den Starken (den Teufel) gekettet.“

Jüdische Messias-Erwartung: aus dem Leviathan wird eine Mahlzeit

'Fischzug', 1979 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Fischzug', 1979 - Walter Habdank.
© Galerie Habdank

Aus diesen Texten ist eine rabbinische Legende entstanden. Gott wird aus dem Leviathan eine Mahlzeit machen:

Der Heilige, gesegnet sei Er, wird in der kommenden Zeit ein Festmahl für die Gerechten aus dem Fleisch des Leviathan bereiten. Die Reste des Leviathan werden verteilt und auf den Märkten in Jerusalem verkauft. Der Heilige, gesegnet sei Er, wird in der kommenden Zeit ein Zelt aus der Haut des Leviathans machen. Die Überreste des Leviathan wird der Heilige, gesegnet sei Er, über die Mauern von Jerusalem spannen, und seine Herrlichkeit wird von einem Ende der Erde bis zum anderen leuchten.

„Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.“ (Jes. 60, 3)

Diese Erwartung wurde auf den Messias übertragen. Offenbar ist die Fischmahlzeit am See Tiberias eine Anspielung auf diese Erwartung des Judentums.

Walter Habdank hat offenbar diese Symbolik gekannt und in seinem Holzschnitt von dem österlichen Fischfang veranschaulicht. Im Mittelpunkt ist ein großer Fisch zu sehen, der scharfe Zähne hat und bedrohlich aussieht. Einer der Jünger hat ihn fest im Griff und hat ihn mit Spießen gespickt. Dies erinnert an die Worte aus Hiob 40, die oben zitiert werden:

Kannst du mit Spießen spicken seine Haut und mit Fischerhaken seinen Kopf?

Die Jünger können den Leviathan fangen und zu der Mahlzeit des Messias bringen, denn sie schauen den Auferstandenen an und haben Anteil an seiner Auferstehungskraft.

Christus bietet Fisch-Mahlzeiten an und ist selber eine Fisch-Mahlzeit

„Es gab die Erwartung, dass das große endzeitliche Festmahl aus dem Leviathan bestehen würde, serviert als ein strahlendes Festessen. Vielleicht findet diese Erwartung ein Echo in der Speisung der Fünftausend in der Wildnis (mit zwei Fischen und fünf Broten) und in der Auferstehungserscheinung beim Fischfrühstück am See. Möglicherweise aber gab es unter Christen eine tiefere Resonanz dieser Symbolik.

Christus selber ist der Fisch, und die Eucharistie ist der Vorgeschmack jenes großen Festmahls. Der Tod, der Terror und das Chaos, die am Kreuz Christi zusammengefasst wurden, werden (als Mahlzeit) aufgeteilt und in Liebe friedlich geordnet und gegessen.

Manche Forscher meinen, dass die alte Praxis, am Freitagabend (am Sabbatbeginn) eine Fischmahlzeit zu essen, ursprünglich auf diese Erwartung der endzeitlichen Leviathan-Mahlzeit zurückgeht. Kein Wunder deshalb, dass Christen bis heute Fisch am Freitag essen, am Tag, an dem Leviathan gefangen und aufgeschnitten wurde.“

Gordon Lathrop

ICTHYS-Gebet

(Ichthys ist das griechische Wort für Fisch und gleichzeitig ein geheimer Hinweis auf Christus, denn die einzelnen Buchstaben des Wortes stehen für „Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter“)

„ICHTYS-Geborene, göttliche Kinder des himmlischen Vaters, trinket mit inniger Ehrfurcht von dem Wasser Gottes, trinket als Sterbliche von der Quelle der Unsterblichkeit.
Stärke deine Seele, mein Freund, mit dem ewig-fließenden, stärkenden Wasser der Weisheit.
Nimm die honig-süße Speise, die er bietet – von ihm, der die Heiligen rettet.
Iss, wie ein Hungriger isst, von dem ICHTYS, den Du in Deinen Händen hältst.
Speise uns, Herr. Ich bitte dich, Erlöser, speise uns mit dem IXTHYS“

Pektorius von Autun, 3. Jahrhundert

Kein Mensch in der Bibel wagte es, Gott mit so viel Bitterkeit und Kühnheit anzuklagen, wie Hiob es tat. Hiob hatte Gott vorgeworfen, dass er mit zynischer Gleichgültigkeit diese Welt in ein heilloses Durcheinander versinken lässt.
Lesen Sie hier, wie Gott darauf reagiert hat. In der Antwort Gottes auf Hiob wird das Thema Leviathan aufgegriffen, so dass wir lernen, wie Gott mit dem Bösen und dem Chaotischen umgeht.

Predigt zum Drittletzten Sonntag im Kirchenjahr: Hiob 14, 1 – 6

Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.
So blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.

Eine der ältesten Fragen der Menschheit lautet: Wer ist für das Böse in der Welt verantwortlich?

Die erste Antwort der Bibel auf diese Frage ist überraschend; sie lautet: Gott ist für alles verantwortlich, auch für das Böse. In dem Buch Josua z. B. wird berichtet, wie die Feinde Israels in einem heiligen Krieg total ausgelöscht wurden – auch Frauen und Kinder; diese Grausamkeit wird als Befehl Gottes dargestellt. Und diese Denkweise gibt es bis heute, vertreten durch Terroristen.

Wer ist also für maßlose Gewalttätigkeit verantwortlich: Ist zuletzt Gott haftbar zu machen, oder ist alles Leiden dieser Erde das Ergebnis menschlicher Schuld – wie manche behaupten?

'Hiob', 1988 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Hiob', 1988 - Walter Habdank.
© Galerie Habdank

In dem Buch Hiob wird diese Frage aufgegriffen – mit einer Intensität und Ausführlichkeit, die sonst in keinem Buch der Bibel vorkommt.
Am Anfang dieses Buches gibt es ein Gespräch im Himmel zwischen Gott und Satan. Gott ist offenbar stolz auf die Treue und Rechtschaffenheit Hiobs. Aber Satan erwidert, dass Hiobs Haltung oberflächlich sei, dass er nur deswegen Gott so treu ergeben wäre, weil es ihm so gut ginge. Wenn Hiob einiges verlieren würde, würde er sich von Gott abwenden, behauptet Satan . Gott erlaubt Satan, gegen Hiob vorzugehen, um seine Treue zu prüfen.

Hiob erleidet danach große Verluste. Er wird von drei Boten aufgesucht, die drei „Hiobsbotschaften“ bringen: sie berichten von Überfällen und Katastrophen: Hiob erfährt, dass seine Tiere gestohlen und getötet wurden; seine Knechte wurden umgebracht, seine Söhne und Töchter starben durch den Zusammenbruch eines Hauses. Daraufhin sagt Hiob Worte, die berühmt geworden sind:

Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt!

Danach wird Hiob von einer hässlichen Krankheit heimgesucht: er hat Geschwüre am ganzen Körper. Seine Frau verachtet ihn und sagt: „Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Sage Gott ab und stirb!“ Hiob erwidert: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“

Hier spricht Hiob aus, was Israel am Anfang seiner Geschichte geglaubt hatte, nämlich, dass auch das Böse von Gott kommt, und deshalb sollte man das Leiden mit Gottergebenheit annehmen.

Bis jetzt hat Hiob trotz unerträglichen Leidens seine treue Gottergebenheit bewahrt. Aber dann erlebt er eine Heimsuchung, die er nicht verkraftet. Er wird nämlich von drei Freunden besucht, die ihm helfen wollen. Diese drei sogenannten Freunde treten als Seelsorger auf und halten lange Predigten. Diese Drei glauben, dass das Leiden Hiobs zu erklären ist. Sie reden auf ihn ein und sagen: du hast ganz offensichtlich eine schwere Sünde begangen, denn sonst hättest du nicht so schwer gelitten. Aber Hiob wehrt sich gegen diese einfache Erklärung. Denn erstens hat er keine schwere Sünde begangen, er hat also sein Leiden nicht verdient, und zweitens gibt es viele Gottlose, die betrügen, rauben, morden und doch nicht von Gott zur Rechenschaft gezogen werden. Hiob leugnet, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen Schuld und Schicksal.

Einer der Freunde versucht eine andere Erklärung: Hiobs Leiden ist eine Züchtigung Gottes. Leiden soll eine pädagogische Wirkung haben. Durch Schmerz und Verlust soll Hiob zu einer tieferen Selbsterkenntnis kommen und merken, dass er doch nicht von Gott ungerecht behandelt worden ist. Aber Hiob findet diese Belehrung unerträglich. Er sagt: „Wie lange plagt ihr doch meine Seele und peinigt mich mit Worten!“

Aber Hiob greift nicht nur seine vermeintlichen Freunde an, sondern Gott selber. Er stellt fest, dass die Erde ein Chaos ist, denn es spielt offenbar keine Rolle, ob man gerecht oder ungerecht ist, schuldig oder schuldlos, denn Unschuldige müssen sinnlose Katastrophen über sich ergehen lassen, während es Bösewichte gibt, die das Leben ungetrübt genießen dürfen. Hiob stellt die Frage, warum Gott diese anarchistische Welt geschaffen hat und noch aufrechterhält. Hiob hat Sehnsucht nach der Ruhe des Grabes, und es wäre ihm am liebsten, wenn er niemals geboren wäre: „Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin“ ist sein Gebet geworden.

Denn er will, dass Gott ihn endlich in Ruhe lässt. In dem Text, der für heute vorgesehen ist, sagt Hiob:

Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht....so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt (der Tag des Todes), auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.

Hiob kennt keine Auferstehungshoffnung, keine Aussicht auf ein Leben nach dem Tod. Und an einer späteren Stelle ist Hiob noch aggressiver in seiner Anklage gegen Gott:

Ich bin unschuldig! Ich möchte nicht mehr leben; ich verachte mein Leben... (Denn) Er bringt den Frommen um wie den Gottlosen. Wenn seine Geißel plötzlich tötet, so spottet er über die Verzweiflung der Unschuldigen. Er hat die Erde unter gottlose Hände gegeben.

Hiob glaubt nach wie vor, dass Gott verantwortlich ist für das sinnlose Leiden dieser Welt, aber er ist nicht mehr bereit, in Gottergebenheit diese Sinnlosigkeit zu ertragen, denn er hält Gott für einen Sadisten.

Gott antwortet Hiob – und zwar aus dem sogenannten Wettersturm – wie es heißt. Hiob hatte das chaotische Leiden auf dieser Erde mit einem Wettersturm verglichen. Und Gott antwortet aus dem Wettersturm. D. h. Gott wohnt mittendrin in dem scheinbaren Chaos dieser Welt.

Hiob hatte Gott vorgeworfen, dass er mit zynischer Gleichgültigkeit diese Welt in ein heilloses Durcheinander versinken lässt. Gott erwidert, dass er ständig dabei ist, Ordnung zu schaffen. Er setzt überall Grenzen fest. Der Inbegriff dieser schöpferischen Tätigkeit ist die Aussage Gottes: "Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter". Immer wieder setzt Gott Schranken: Die chaotische Wildheit des Meeres wird durch Küsten eingegrenzt, die Ausbreitung der Wüste wird durch Regen zurückgedrängt, immer wieder wird durch das Morgenlicht dem nächtlichen Treiben der Verbrecher ein Ende bereitet.

Und in seiner Erwiderung auf Hiob erwähnt Gott zehn Tiere, die er betreut: Löwe, Steinbock, Hirsch, Wildesel, Wildstier, Strauß, Kriegspferd, Wanderfalke und Geier. Diese Tiere bevölkern die Orte und Landstriche, wo Menschen nicht wohnen können - da, wo die Dämonen hausen. Sie sind die Verkörperung einer scheinbar chaotischen Welt. Gott aber kümmert sich um diese chaotische Welt. Er sorgt für die Nahrung dieser Wildheiten. Er überwacht Geburten. Er hat die Freiheit dieser wilden Wesen gewollt und deren Nutzlosigkeit für menschliche Zwecke beabsichtigt. Er verleiht diesen wilden Geschöpfen ihre manchmal kopflose Dummheit, aber auch ihre Kraft und Schnelligkeit.

'Nashorn', 1974 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

'Nashorn', 1974 - Walter Habdank.
© Galerie Habdank

Mit anderen Worten: Gott zeigt sich als Herrscher und Schöpfer auch dort, wo der Mensch nur Sinnlosigkeit sehen kann. Gott sagt, dass auch diese menschenfeindliche Tierwelt - die ein Sinnbild ist für das Tierische in den Menschen - eine Berechtigung hat. Die Wildheit dieser Erde hat eine versteckte Ordnung, die von Gott gegeben ist. Denn Gott greift pausenlos ein und setzt Grenzen, aber der Mensch ist zu klein, um diese schöpferische Tätigkeit zu begreifen. Aber Gott hat zuletzt alles im Griff.

Und dann werden zwei Tiere von Gott genannt, die mythologisch sind. In Hiob wird das Böse symbolisiert durch zwei Ungeheuer: Behemoth – ein Landtier - und Leviathan – ein Wassertier. Gott beschreibt die überwältigende Macht dieser Ungeheuer; denn er weiß, wie kaltblütig, übermächtig und gefährlich das Böse ist. Er ist der einzige, der die chaotischen Zerstörungsgewalten dieser Erde durchschaut und in den Griff kriegen kann. Und er überwindet sie immer wieder, ohne sie ganz zum Verschwinden zu bringen.

Das Buch Hiob verkündet, dass es unheimliche Chaosmächte in der Welt gibt, die eigenständig sind. Man kann also nicht einseitig Gott haftbar machen für das sinnlose Leiden in der Welt, aber auch die Menschen sind nicht allein verantwortlich für das Unheil. Die Vorstellung, dass alles Böse in der Welt auf menschliche Schuld zurückzuführen ist, ist naiv und optimistisch. Das Böse ist größer als die Menschen; kein Mensch und keine Regierung können das Böse in den Griff kriegen. Und dass Gott das Böse aus pädagogischen Gründen gewähren lässt - wie die drei Freunde Hiobs behaupteten – wird von Gott am Ende des Buches indirekt abgelehnt. Denn Gott sagt zu den drei Möchtegerntheologen: „Ihr habt nicht recht von mir geredet!“

Die Botschaft, die wir von dem Buch Hiob hören sollten, lautet: Gott hat zuletzt alles unter Kontrolle. Er schafft Ordnung, wo der Mensch nur Chaos sieht. Das Böse sieht übermächtig aus, aber Gott ist mächtiger. Wir Menschen sind zu klein, um zu begreifen, was Gott tut und warum er es tut.

Aber das Buch Hiob ist nur eine Zwischenstation in der Bibel. Denn dieses Buch weiß noch nichts von Auferstehung oder von einem endgültigen Sieg über den Leviathan, d. h. über alle menschenfeindlichen Gewalten.

Das Judentum erwartet, dass der Messias, wenn er kommt, den Leviathan besiegen und aus ihm eine Mahlzeit machen wird. Das heißt: das Böse soll zuletzt den Menschen dienen. Nach christlicher Auffassung hat Jesus Christus den Leviathan schon besiegt. Dieser Sieg ist in den Auferstehungserscheinungen Christi in den Evangelien angedeutet. Denn der Auferstandene hat am Ufer des Sees Genezareth eine Fischmahlzeit für seine Jünger bereitet. Und an einer anderen Stelle isst der auferstandene ein Stück gebratenen Fisch vor den Augen der Jünger. Vielleicht sind diese gebratenen Fischmahlzeiten eine Anspielung auf den Sieg des Messias über das Seeungeheuer Leviathan – d.h. über alle menschenfeindlichen, chaotischen Mächte dieser Erde.

Es gibt in der Bibel keine eindeutige Antwort auf die Frage, warum das Böse vorkommt. Aber die Bibel gibt eine eindeutige Antwort auf die Frage: Ist Gott vertrauenswürdig? Wir dürfen vertrauen, dass Gott alles im Griff hat, dass er es gut mit uns meint, dass er sich zuletzt gegen Tod und Teufel durchsetzen wird, dass wir zuletzt in ewiger Herrlichkeit Gott loben und preisen werden, weil wir zuletzt von seiner Güte überwältigt werden.

Am Ende sagte Hiob zu Gott: „Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer.“

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PSch

Das Bild 'God fishing Leviathan', Miniature von Hortus deliciarum, 1167-1185, ist im public domain, weil sein copyright abgelaufen ist.
Das Photo 'Kohle und Feuer', Mai 2006 wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren.
Wir danken Frau Friedgard Habdank sehr herzlich, dass sie uns die Bilder ihres Mannes auf so großzügige und kostenlose Weise zur Verfügung gestellt hat. © Galerie Habdank, www.habdank-walter.de.