Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
Zurück zum Archiv Home der Dreikönigsgemeinde

Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

30 Jahre Gemeindehaus Süd:

« Predigten Home

Predigt

Licht im Kirchsaal Süd

Gehalten von Pfarrer Phil Schmidt im Gottesdienst zu 30 Jahre Gemeindehaus Süd
am 29.10.2006 in Frankfurt am Main.

In der evangelischen Kirche in Frankfurt gibt es seit Jahren scheinbar keine anderen Themen mehr als Reduzierung und Umstrukturierung. Manchmal haben wir Evangelische nur noch vor Augen, was uns verloren gegangen ist und was uns noch verloren gehen könnte. Was dabei zu kurz kommt, ist die Dankbarkeit für das, was wir empfangen haben. Deshalb soll heute die Dankbarkeit im Vordergrund sein.

Als die damalige Südgemeinde 1975 in dieses Haus eingezogen ist, ist das Gemeindeleben aufgeblüht. Es war damals selbstverständlich, dass wir an einem gewöhnlichen Sonntag 60 bis 80 Personen im Gottesdienst hatten. Und es war selbstverständlich, dass Angebote der Gemeinde rege besucht wurden. Es entstanden lebendige Gruppen, und Feste wurden häufig gefeiert.

Wir haben in diesem Haus erlebt, wie Räumlichkeit ein Gemeindeleben beeinflussen kann. Die hellen und großzügigen Räume dieses Hauses haben eine belebende Wirkung auf Menschen; besonders der Handarbeitsraum ist erfreut, wenn die Sonne nachmittags diesen Raum beleuchtet.

Und zu der Helligkeit dieses Hauses gehören die Leuchter in diesem Saal. An dunklen Wintertagen ist dieser Kirchsaal nicht düster, sondern wird durch die Leuchter in einen Festsaal verwandelt. Das helle Licht in dieser Kirche ist ein Hinweis, dass jeder Sonntags-Gottesdienst ein kleines Osterfest ist, und dass Gott unser Licht und Heil ist, wie es in einem Psalm heißt. Dieser Kirchsaal hat auch eine gemeinschaftsstiftende Wirkung. Denn Orgel, Altar, Kanzel, Chor und Gemeinde sind nahe beieinander, und diese Nähe der Gemeinde zu dem Altar vermittelt indirekt die Nähe Gottes und stiftet Gemeinschaft.

Weil der Kirchsaal relativ klein ist im Vergleich zu einer großen Kirche, gibt es zwei Vorteile. Die Gemeinde kann sich selbst singen hören und man kommt hier normalerweise ohne Mikrophon aus. Die Gemeinde hört natürliche menschliche Stimmen - ohne Elektronik vermittelt. Und die Tatsache, dass die Eingangstür nicht direkt auf die Straße führt sondern in einen Vorraum, trägt dazu bei, dass Menschen nach dem Gottesdienst verweilen und Gemeinschaft erleben. Was also die Räumlichkeit betrifft, gibt es vieles, wofür wir dankbar sein können.

Aber trotzdem: der wahre Schatz einer Gemeinde besteht nicht in erster Linie aus Räumlichkeiten, sondern aus den Menschen, die mit Herz, Verstand und Seele dabei sind. Und dafür sollen wir heute besonders dankbar sein – für die unzähligen Menschen, die in diesem Haus das Gemeindeleben bereichert haben – und immer noch bereichern. Es wäre völlig unmöglich, einen Überblick zu bekommen, wer alles in diesem Haus in den letzten 30 Jahren mitgewirkt hat. Niemand kann überschauen, wie viel Freude erlebt und wie viel Leid hier geteilt worden ist. Niemand kann überschauen, wie viele fruchtbare Gespräche in diesem Haus vorgekommen sind. Niemand kann feststellen, wie viele Glaubenserlebnisse es hier gab. Niemand kann zählen, wie viele Menschen ihre Liebe zu Jesus Christus durch unauffällige Arbeit in diesem Haus zum Ausdruck gebracht haben. Wir sind als Gemeinde viel reicher beschenkt worden, als wir jemals wahrnehmen könnten. Wir können nicht dankbar genug sein für alles, was in diesem Haus geschehen ist.

Wer den Gemeindebrief gelesen hat, weiß, dass es eine offene Frage ist, wie der Gebäudebestand unserer Gemeinde, langfristig gesehen, aussehen wird. Weil es Überlegungen geben muss über das, was wir behalten oder nicht behalten können, ist es wichtig, dass wir solche Überlegungen von der richtigen Perspektive aus anstellen. Die Dankbarkeit für den bisherigen Segen darf dabei nicht fehlen, wenn künftige Gebäudekonzepte diskutiert werden, denn sonst besteht die Gefahr, dass eine unchristliche Verbissenheit entsteht.

Denn Dankbarkeit ist für uns Christen nicht bloß eine gelegentliche Haltung, - die nur vorzukommen hat, wenn es uns gut geht - sondern Dankbarkeit ist ein dauerhafter Lebensinhalt. Wie es in dem Epheserbrief heißt:

Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Wie es heißt: Sagt Dank...allezeit für alles. Oder wie es im 1. Thessalonicherbrief heißt:

Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.

Diese Texte zeigen, dass christliche Dankbarkeit nicht von den äußeren Umständen abhängig ist. Ein Christ kann allezeit für alles dankbar sein – nicht weil er naiv oder blind ist – sondern weil er vertrauen darf, dass Gott zuletzt uns alles gegeben hat und geben wird, was wir brauchen, und dass Gott auch das Unerfreuliche in Segen verwandeln kann. Es gab einen Jungen, der bei einer Mahlzeit dazu aufgefordert wurde, das Tischgebet zu sprechen. In dieser Familie war es üblich, die Tischgebete frei zu formulieren. Dieses Dankgebet lief folgendermaßen ab: „Gott, wir danken dir für alles, was auf diesem Tisch steht: Hähnchen, Salat, Pommes Fritte, Spinat – dann gab es eine Pause und der Junge fragte: Wird Gott nicht wissen, dass ich gelogen habe, als ich ihm für Spinat gedankt habe?“ Aber Gott soll man auch für das danken, was man nicht gern empfängt. Denn Dankgebet ist ein Bekenntnis des Vertrauens, dass Gott für uns gesorgt hat und sorgen wird, und dass alles zuletzt seinem Willen dienen muss.

Mit Dankbarkeit und Vertrauen dürfen wir heute 30 Jahre Gemeindehaus feiern, egal was war und egal was vorkommen mag. Dazu passt ein Gebet, das ursprünglich für das jüdische Passafest geschrieben wurde, aber allgemeingültig ist. Dieses Gebet lautet:

Eagle, 2006, Steve Jurvetson

„Auch wenn unser Mund mit Liedern voll wäre – so umfangreich wie das Meer, auch wenn unsere Zungen mit Freude bewegt wären – so gewaltig wie Seewellen, auch wenn unsere Lippen so breit wie der Himmel und mit Lobpreis gefüllt wären, auch wenn unsere Augen wie die Sonne leuchten würden, auch wenn unsere Hände im Gebet ausgebreitet wären wie die Flügel eines Adlers, so wären wir dennoch unfähig, dir angemessen zu danken für ein Tausendstel der Liebe, die du uns gezeigt hast.“

Und das gilt auch für den Segen, den wir in diesem Gemeindehaus als ehemalige Süd-Gemeinde und als Dreikönigsgemeinde empfangen haben: wir haben nicht einmal ein Tausendstel der Gnade zur Kenntnis genommen, die wir hier empfangen haben. Deshalb soll heute unser bescheidener Dank im Vordergrund stehen.

Die Photographie Eagle, 2006, Steve Jurvetson, ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 2.0 Lizenz.

^ Zum Seitenanfang

PSch