Archiv der Evangelisch-lutherische Dreikönigsgemeinde, Frankfurt am Main - Sachsenhausen
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Evangelisch-Lutherische

DREIKÖNIGSGEMEINDE

Frankfurt am Main - Sachsenhausen

Besondere Gottesdienste

Gottesdienst anders mit dem Gospelchor der Dreikönigsgmeinde

Gottesdienst anders: Woher? Wohin?

19. Oktober 2008 im Kirchsaal Süd

Diesmal war „Gottesdienst Anders“ ganz anders als sonst. Wir haben die Liturgie auf ein Minimum reduziert, denn wir wollten Zeit lassen für viel Singen und für die drei Glaubenszeugnisse, die diesmal im Mittelpunkt standen. Auch der Gospelchor sang.

Drei Personen aus der Gemeinde haben ihre persönlichen Glaubenswege erläutert.

Woher komme ich auf meinem persönlichen Glaubensweg?
Wo bin ich jetzt angelangt?
Wohin werde ich auf diesem Weg weiter geführt?

Hier ist eines dieser persönlichen Glaubenszeugnisse:

"Der Weg des Glaubens begann für mich – wenn auch unbewusst – mit dem Tag der geistlichen Geburt, der Taufe, am 10. 06. 1934. Ich wurde in eine Familie hineingeboren, die obschon von den Grundfesten des christlichen Glaubens geprägt war, aber den Gottesdienst z. B. besuchten wir – von Ausnahmen abgesehen – nur an Weihnachten und allenfalls noch am Karfreitag.

Schon in früher Kindheit wurde ich aber mit dem Gebet vertraut gemacht. Es verging kein Abend, an dem meine Mutter nicht an meinem Bett mit mir gebetet hat. Als ich etwas älter war (ca. 9, 10 Jahre) wurde mir das Vater Unser beigebracht. Ich war sehr stolz darauf. Vor und nach dem Essen musste ich in der Familie beten. Mit besonderer Freude tat ich das damals aber nicht.

Wolfgang Hensel: früheres Wohnhaus im Leipzig

Wolfgang Hensel: früheres Wohnhaus im Leipzig

So verlief damals mein Weg des Glaubens ohne besondere Höhepunkte, aber immerhin wurde ich in die richtige Richtung geführt; ein Zweifel am Dasein Gottes gab es für mich als Kind jedenfalls nicht; Gott war für mich – wenn auch nicht sichtbar – real existent. Diese geradlinige, etwas zu ruhige Situation änderte sich als im Jahre 1943 meine Tante Else aus Berlin wegen der immer häufiger werdenden Bombenangriffe auf Berlin zu uns nach Leipzig zog. Ich war damals 9 Jahre alt.

Da während der Nazi-Zeit in den Schulen kein Religionsunterricht erteilt wurde, erklärte sich Tante Else – sehr mit Zustimmung meiner Eltern – bereit, mich insoweit entsprechend zu unterrichten. Tante Else war sehr fromm und bibelfest. So wurde ich fast tag-täglich eine bis anderthalb Stunden mit der Bibel, Kirchenliedern, den zehn Geboten dem Glaubensbekenntnis u. s. w. konfrontiert. Freude hat mir das nicht immer bereitet. Aber immerhin: in mein Innerstes wurde für mich unbewusst eine tragfähige und feste Grundlage für mein Glaubensleben gelegt.

Die erste Bewährung des Glaubens konnte ich bei den Bombenangriffen während des 2. Weltkrieges erfahren. Wie oft haben Tante Else und ich im Luftschutzraum laut gebetet, wenn die Bomben herabfielen. Eine besondere Rolle spielte Psalm 91, der mit den Worten beginnt:
„Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem HERRN: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.“

Und alle im Luftschutzraum beteten leise mit, dessen bin ich sicher. Nicht, dass wir keine Angst mehr hatten, aber wir alle waren getröstet und zuversichtlicher.

Wolfgang Hensel als Konfirmand

Wolfgang Hensel als Konfirmand

1946 – 1948 war meine Konfirmandenzeit. Den Konfirmandenunterricht besuchte ich mit großer Freude. Weil ich so eifrig war, wurde ich für die Mitkonfirmanden auffällig und hörte einmal, wie sie unter sich munkelten: „Hier kommt der göttliche Jüngling!“

In dieser Zeit geschah etwas Unerwartetes: Während ich morgens mich wusch, durchzuckte mich unvermittelt der Gedanke, ob es Gott wirklich gibt; mich, der ich bis zu jenem Zeitpunkt nicht den geringsten Zweifel an seiner Existenz hatte.

Es begann für mich eine schlimme, friedlose Zeit – und ich hatte nicht den Mut, mich irgendjemand anzuvertrauen – auch meinen Nächsten nicht. So war ich als Konfirmand auf der ständigen Suche nach Gott. Ich las in Büchern, ich suchte ihn in der Sonne, in der Natur. Nicht, dass ich seine Existenz völlig verleugnete, aber der bohrenden Zweifel blieb.

Gerade in diesen Tagen las ich etwas in dem Neukirchner Kalender, was mir damals geholfen hätte: „Seelendurst haben alle. Alle Menschen sind durstig nach Hilfe und Halt, nach Sinn und Ziel...Erst recht, wenn Gott so weit weg zu sein scheint, wenn die Spötter und Besserwisser scheinbar recht behalten mit ihrer verletzenden Frage: „Wo ist nun dein Gott?“ Wenn die sehnliche Suche nach der Nähe und Hilfe Gottes so weh tut, wenn sie so spürbar und belastend ist, dann sind wir nicht etwa dabei, aus dem Glauben zu fallen, sondern dann bewegen wir uns ganz direkt in den Vorhöfen der Liebe Gottes. Zweifel kann mitunter die größte Glaubenssehnsucht sein.

Dann kam eine Konfirmandenstunde, in der mir ein guter, heilsamer Weg gezeigt wurde. In einem mir nicht mehr bewussten Zusammenhang, sagte unser Konfirmator: Wenn wir uns noch so sehr selbst bemühen, auf irgendeinem Weg zu Gott zu kommen, so wird uns dies nicht gelingen. Aber Gott kommt zu uns, wenn wir ihn aufrichtig darum bitten. So heißt es im Klagelied Jeremias: “Du nahtest dich zu mir, als ich dich anrief, und sprachst: Fürchte dich nicht!“
Und dann habe ich den Ruf befolgt und immer wieder intensiv gebetet. Nicht sofort, aber allmählich merkte ich, dass ich ruhiger wurde und wieder mehr zum inneren Frieden fand. Meine Konfirmation konnte ich immerhin froh und dankbar feiern.

Wolfgang Hensel auf dem Gemeindesommerfest, August 2008

Wolfgang Hensel, August 2008

So wuchs ich allmählich immer fester in den Glauben hinein. Die Kirchgänge nach der Konfirmation wurden immer häufiger und intensiver. Ich beschäftigte mich sogar sehr oft mit dem Gedanken, nach dem Abitur Theologie zu studieren, um Pfarrer zu werden. Da ich mir nicht ganz sicher war, ob dies wirklich meine Berufung war, ließ ich davon ab. Umso mehr – eigentlich einer inneren Berufung folgend – engagierte ich mich im Laiendienst der Kirche, und zwar in den verschiedensten Diensten. Da ich mich auch im eigentlichen Berufsleben sehr wohl fühlte, betrachtete ich die ehrenamtliche Tätigkeit als einen wunderbaren Ausgleich. Ich bin von Herzen dankbar, dass ich heute immer noch diese ehrenamtliche Tätigkeit in der Gemeinde ausüben kann. Und ich hoffe sehr, dass mir hierfür noch viele Jahre die Kraft und die Freude geschenkt werden.

Auch jetzt durchlebe ich noch Zeiten, in denen Gott mir einmal weniger nah ist. Dann gibt es wieder Augenblicke, in denen ich ihn ganz nahe fühle. In den Zeiten des „Infragestellens“ hilft stets auf Neue das Gebet: „Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ Beharrlichkeit führt in jedem Fall zum Ziel, auch in Dingen des Glaubens. Ich hoffe und bete, dass ich diesen Weg so weiter geführt und immer gefestigter werde. Und das persönliche Zeugnis, das ich nach allem mit Vertrauenszuversicht hoffentlich immer wieder für alle Zeit meines Lebens ablegen möchte, lautet nach Psalm 139, Vs. 5:"

„Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“

Wolfgang Hensel

Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

Ausschnitt aus 'Jakobskampf', 1973 - Walter Habdank. © Galerie Habdank

Ausschnitt aus 'Jakobskampf', 1973
Walter Habdank. © Galerie Habdank

Dieser Spruch kommt in der folgenden geheimnisvollen Begebenheit vor:

„Und Jakob stand auf in der Nacht ...Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. Und als er sah, dass er ihn nicht übermochte, schlug er ihn auf das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt.
Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.
Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob. Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen.
Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißt du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst.
Und Jakob nannte die Stätte Pnuël; denn, sprach er, ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet.“ (1. Mose 32, 23 – 31)

Phil Schmidt